Erklärungsnot in Köpenick
Der 1. FC Union setzt nach dem 1:1 gegen Bielefeld auf das Prinzip Hoffnung
Ziemlich mitgenommen sah Benjamin Kessel aus. Mit Achillessehnenproblemen und einem dicken Sprunggelenk humpelte er am Sonnabend aus der Alten Försterei. Und auch sonst wirkte der 28-Jährige angeschlagen. Eigentlich ist der Verteidiger ja ein Mann klarer Worte und Entscheidungen. Nicht umsonst ist er von Trainer Sascha Lewandowski zum Kapitän des 1. FC Union ernannt worden. Aber nach dem 1:1 gegen Arminia Bielefeld konnte oder wollte er anscheinend keine klare Aussage treffen: »Ja, nein, vielleicht irgendwie.«
Kessel sollte das Remis ins große Ganze einordnen – in die Entwicklung des Zweitligisten aus Köpenick nach der Trennung von Trainer Norbert Düwel Anfang September. »Vielleicht irgendwie« sei die Punkteteilung der ambitionierten Berliner gegen den Aufsteiger aus Bielefeld dann doch symptomatisch für die bislang elf Spiele unter Düwels Nachfolger Lewandowski, druckste der Kapitän.
Da sind einerseits die durchaus sichtbaren positiven Veränderungen im Angriffsspiel. Mit bislang 27 erzielten Toren zählt der 1. FC Union zu den offensivstärksten Teams der zweiten Liga. In der ersten Halbzeit hatten die Berliner vor mehr als 20 000 Zuschauern den Gästen fast keine Luft zum Atmen gelassen. Angriff auf Angriff rollte auf das Tor der Arminia – meist schnell über die Außenbahnen vorgetragen. Die Führung zur Pause durch Kessels Treffer in der 32. Minute war hoch verdient.
Mit bislang 27 Gegentreffern sind die Köpenicker zugleich aber auch eine der abwehrschwächsten Mannschaften der Liga. Als die Arminia zur zweiten Halbzeit sehr viel entschlossener aus der Kabine gekommen war, bekamen die Gastgeber sofort Probleme – und das fast schon obligatorische Gegentor. So erhöhte Bielefeld seine Trefferquote auf immer noch bescheidene 0,8125 pro Spiel. Dass Unions Linksverteidiger Michael Parensen dabei helfen musste, als er den Ball nach 51 Minuten ins eigene Netz beförderte, ist einerseits durchaus Beleg für die Offensivprobleme der Arminia. Andererseits steht das Eigentor aber auch exemplarisch für verunsichertes Verteidigen einer nicht selten ungeordneten Berliner Abwehr. Genauso wie der Umstand, dass sich die Gäste am Ende sogar noch ärgern konnten, nicht drei Punkte mitgenommen zu haben.
Sascha Lewandowski versteckte seinen Frust. Ein Heimspiel gegen einen Aufsteiger? »Ja«, sagte Unions Trainer nach langem Überlegen, »da hätte mehr bei rumkommen sollen.« Müssen – dieses Wort vermied er. Sachlich blieb er auch in der Spielanalyse. »In der sehr guten ersten Halbzeit hatten wir die richtige Balance zwischen Tempospiel und Ruhe.« In der zweiten habe nicht mehr viel gestimmt. Fehlende Konstanz war schon das Problem unter Düwel, Lewandowski hat dafür auch noch keine Lösung gefunden.
Was bleibt, ist das Prinzip Hoffnung. Irgendwann werde sich die Mannschaft auch belohnen. Darin waren sich am Sonnabend alle einig beim 1. FC Union. Es wird aber auch Zeit: In den drei Spielen bis zur Winterpause in Freiburg und Düsseldorf sowie gegen Sandhausen wird es schwer genug, den einen Punkt Vorsprung auf die Abstiegsplätze zu verteidigen.
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