Transparenz gegen Zweifel
EU-Handelskommissarin Malmström kündigt weitere Lesesäle für TTIP-Dokumente an
Ein Rest Geheimnis müsse aus strategischen Gründen bleiben, erklärte Cecilia Malmström am Donnerstagabend in Berlin. Rund 200 Interessierte waren der Einladung zum Bürgerdialog über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union (TTIP) gefolgt, bei dem Befürworter und Kritiker ihre Argumente austauschten. Arbeitgeber gegen Gewerkschaften, Liberale gegen Grüne, Staatssekretär gegen TTIP-Gegnerin - in Speed-Debatten ging es um die bestehenden Kontroversen.
Beispiel Transparenz: Die sei beim geplanten Transatlantischen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen bereits erheblich verbessert worden, sagte die Handelskommissarin. So sollen die Abgeordneten des Bundestages zukünftig leichteren Zugang zu den Verhandlungsdokumenten bekommen. Dem habe die US-Regierung zugestimmt, so Malmström. Nicht mehr nur in der US-Botschaft, sondern auch im Bundestag werde ein Leseraum eingerichtet, in dem die konsolidierten Verhandlungspapiere ausliegen sollen. Veröffentlicht würden auch Papiere, die »Positionen der USA enthalten«, so Malmström. Vorschläge von Seiten der USA blieben aber weiter geheim: »Das sind nicht unsere Papiere«. Der Öffentlichkeit würden die Entwürfe weiter nicht zugänglich gemacht, »bis der Vertragstext fertig verhandelt ist«.
Die Verhandlungen selbst scheinen festzustecken. Eigentlich soll das Abkommen bis Ende 2016 unter Dach und Fach sein, denn dann sind in den USA Präsidentschaftswahlen. »Wenn wir bis dahin nicht fertig sind, müssen wir bis zum nächsten Präsidenten warten«, so Malmström. Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, warnt, wenn dieser Fall eintrete, werde TTIP wohl nicht vor 2025 in Kraft treten können.
Durch das Freihandelsabkommen zwischen den USA und den pazifischen Staaten (TTP), das im Oktober verabschiedet wurde, befürchtet er einen enormen Wettbewerbsnachteil für die europäischen Unternehmen. Durch TPP steige der Druck auf Europa, das transatlantische Abkommen trotz vieler offener Streitpunkte zu einem Abschluss zu bringen.
Dabei lagen in den bisherigen elf Verhandlungsrunden zahlreiche kritische Punkte wie Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen oder regionale Herkunftsangaben noch nicht einmal auf dem Tisch. Bei anderen Themen existieren Kompromissvorschläge: So hat die EU-Kommission kürzlich einen Vorschlag zum umstrittenen Investorenschutz an die Vereinigten Staaten übermittelt.
Malmström zufolge stellt das neue Verfahren nicht das Recht der Regierung in Frage, Gesetze zu erlassen, die den Interessen von Unternehmen zuwiderlaufen. Die Schiedsgerichte würden zudem öffentlich tagen, aus ordentlichen Richtern bestehen und Berufungen seien zugelassen, sagte die Handelskommissarin. Langfristig plädiert die Schwedin dafür, ein internationales Investitionsgericht zu etablieren.
Zudem will die EU-Kommission die Einhaltung von Standards bei Umweltschutz und Arbeitnehmerrechten verankern. »Beim Handel geht es nicht einfach nur um unsere Wirtschaftsinteressen, sondern auch um Wertvorstellungen«, sagte Malmström. DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann kritisierte, dass die USA die ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert hätten. Es reiche nicht aus, wie von Malmström ausgedrückt, dass diese »im Geiste umgesetzt wären«.
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