»Wir hören jede Nacht die Bässe«

Dialogverfahren für das RAW-Gelände in Friedrichshain gestartet

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Freitagabend begann das Verfahren, mit dem bis 2018 ein Bebauungsplan für das Friedrichshainer Areal erstellt werden soll.

Gut 100 Anwohner und Nutzer des RAW-Geländes versammelten sich am Freitagabend im Mehrzweckraum des Friedrichshainer Dathe-Gymnasiums, um zunächst vor allem um Vergangenheit und Gegenwart des Geländes des ehemaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerks (RAW) an der Ecke Warschauer und Revaler Straße zu sprechen. Anlass sind die Nutzungspläne der relativ neuen Eigentümer für das Gelände. Während im Ostteil des Geländes die International Campus aus München gegen den Willen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Studentenwohnungen bauen will, kündigt die Göttinger Kurth-Gruppe eine eher behutsame Nutzung an. Ihr gehören 53 000 des insgesamt 70 000 Quadratmeter messenden Areals.

Zunächst stellte Gerlinde Mack vom Architektur- und Stadtplanungsbüro Jahn, Mack und Partner die Schritte des von der Kurth-Gruppe initiierten Bürger- und Nutzerbeteiligungsverfahrens vor. Es soll nach einer Bestandsaufnahme und zwei Planungswerkstätten im Februar und April 2016 im Sommer schließlich konzeptionelle Entwürfe vorstellen, die den Wünschen möglichst vieler Anwohner und Bestandsmieter entsprechen sollen.

»Wir machen ein eigenes Bebauungsplanverfahren für das gesamte Areal, das mit den Ergebnissen des Bürgerbeteiligungsverfahrens eng verzahnt ist«, kündigte Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) an. »Wir wollen dort keine Wohnungen, weil dies das einzige Gebiet im weiten Umkreis ist, wo bestimmte Aktivitäten möglich und zuzulassen sind. Es ist eine Stadtentwicklungsfläche, die eine sehr wichtige Dimension einer sehr jungen, sehr aktiven Stadt abdeckt«, sagte er. Das Projekt könne nur funktionieren, wenn es eine halbwegs einvernehmliche Nachbarschaft auf der anderen Straßenseite gebe.

Momentan ist diese nicht gegeben. Zunächst sei sie froh gewesen, als das Gelände 2010 aus seinem Dornröschenschlaf erweckt wurde, sagt Karola Vogel von der Nachbarschaftsinitiative »Die Anrainer«. Sie habe das Gelände zunächst auch selbst in der Freizeit genutzt. »Ein wesentlicher Grund ist die Dichte an Clubs, die von Ballermanntouristen genutzt werden«, sagt sie. Rund um den Mauerdurchbruch an der Ecke Simon-Dach- und Revaler Straße habe sich ein nächtlicher Marktplatz mit wildem Taxistand, Spätkauf und Dönerladen entwickelt. Neben dem verhaltensbedingten Lärm der Besucher sei auch der anlagenbedingte Lärm der Clubs ein großes Ärgernis: »Ich wohne in direkter Nachbarschaft zum RAW, wir hören jede Nacht die Bässe; sogar im Rudolfkiez auf der anderen Seite der Bahnanlagen hört man die.«

»Wir sind als soziokulturelles Zentrum genauso dem Tourismus und seinen Folgeerscheinungen ausgesetzt; es hat uns auch viel Energie gekostet, damit umzugehen«, sagt Christine Schütt vom RAW-Tempel, der unter anderem eine Musikschule und einen Kinderzirkus beherbergt. Sie äußert die Hoffnung, dass man im Rahmen des Dialogverfahrens wieder zu einem Gelände komme, das »sicher und angenehm« sei.

Olaf Möller von der Clubcommission arbeitet im Auftrag des Bezirks an einem Moderationsverfahren, das einen Kompromiss zwischen den Anwohner- und Clubinteressen entwickeln soll. Viel Vertrauen haben die Nachbarn jedoch nicht, dass das zu spürbaren Änderungen führen wird. »Es wird einen Streit geben - das ist ganz klar - aber wir hoffen, dass wir das hinbekommen«, appellierte Baustadtrat Panhoff.

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