ZDF schaltet Lobbyradar ab

Interaktives Transparenz-Projekt wird zum Jahresende eingestellt / Medienberichte über angeblichen Druck aus der Politik

  • Lesedauer: 3 Min.

Mainz. Das ZDF gibt sein Transparenzprojekt »Lobbyradar« zum Jahresende auf. Das Angebot solle nach dem viel beachteten Start im Mai nun hausintern nicht weiter verfolgt werden, sagte Sendersprecher Peter Gruhne am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei von Anfang zeitlich befristet angelegt gewesen. Die Website www.lobbyradar.zdf.de sollte Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft, Verbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen offenlegen.

Der Programmausschuss Chefredaktion sei bereits am 20. November über die Einstellung informiert worden, sagte Gruhne. Die Entscheidung sei nicht ungewöhnlich. Das Projekt habe von Anfang an in der Tradition innovativer Impulsinitiativen des Senders im Onlinebereich gestanden, dazu gehörten der interaktive TV-Talk »log in« und der Politik-Check »ZDFcheck«. Der Vertrag mit dem Partner »Open Data City« sei schon zu Beginn bis Ende Dezember 2015 befristet worden.

Nach der Veröffentlichung des »Lobbyradars« habe es viele, zumeist positive Reaktionen gegeben, sagte der Sprecher. »Manche haben das ZDF auf Fehler oder Unvollständigkeiten in Profilen hingewiesen«, erklärte Gruhne: »Natürlich gab es vereinzelt auch kritische Stimmen.« In Medienberichten hieß es, es habe auch politischen Druck wegen des Projekts gegeben.

So berichtet die Zeit unter Verweis auf einen Mitarbeiter des Projektes, mehrere Bundes- als auch Landespolitiker hätten sich gemeldet, weil Informationen veraltet, falsch oder fehlerhaft gewesen sein sollen. Ein beteiligter ZDF-Redakteur wird sogar mit den Worten zitiert: »Aus dem Fernsehrat und aus Kreisen der Politik wurden zu viele hässliche Fragen an den Intendanten gestellt.«

Unter Lobbyisten stieß die Plattform wenig überraschend kaum auf Gegenliebe. Der nach Zeit-Informationen CDU-nahe Kommunikationsberater Axel Wallrabenstein zerriss den Lobbyradar auf dem Fachportal »politik & kommunikation« als das »nutzloseste Produkt«, das »er jemals gesehen habe«. Es sei völlig unklar, was die grafisch dargestellte Vernetzung zweier Personen bedeute.

Gruhne betonte, das ZDF führe bereits Gespräche über Folgeprojekte mit »Open Data City«. Er verwies zudem auf weitere neue Digitalprojekte des Senders wie das mobile Angebot »ZDFarabic/ZDFenglish« für Flüchtlinge, das »Junge Angebot« von ARD und ZDF im kommenden Jahr sowie den Relaunch der ZDF-Mediathek.

Auf der Website des »Lobbyradars« finden Nutzer Tausende Namen unter anderem von Bundestagsabgeordneten, Parteien, Stiftungen und Unternehmen, deren Verbindungen untereinander grafisch dargestellt werden. Darüber hinaus erscheinen Zusatzinformationen zu den Einträgen und die Quellen der Angaben. In die Datenbank eingeflossen sind öffentlich zugängliche Listen und Datenbanken, viele Verbindungen wurden auch vom »Lobbyradar«-Team recherchiert. Das Projekt war in Kooperation der Redaktion »heute.de« mit dem Medieninnovationszentrum Babelsberg entstanden.

Ob der Lobbyradar» tatsächlich endgültig eingestampft wird, muss indes die Zukunft zeigen. «Wir bemühen uns gerade um alternative Medienpartnerschaften für einen Fortbestand. Zu den inhaltlichen Gründen müssen Sie bitte mit dem ZDF sprechen», sagte Marco Maas von Open Data City gegenüber dem Tagesspiegel. Agenturen/nd

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