Als Hass Scheiterhaufen lodern ließ
Gadebusch rehabilitiert Opfer des Hexenwahns / LINKE: Auch Zeichen gegen aktuelle Hetze
Die Stadt Gadebusch in Mecklenburg-Vorpommern wird die in ihrem Bereich hingerichteten und gefolterten Opfer der Hexenverfolgung offiziell rehabilitieren. Das hat jetzt die Stadtvertretung beschlossen.
Als Hexe verdammt, zum Flammentod verurteilt: So fand Margarete Saß aus Gadebusch 1648 am Ende des Dreißigjährigen Krieges auf dem Scheiterhaufen ein schreckliches Ende. Ihre Schwester erlitt das gleiche Schicksal. Eine ebenfalls der Hexerei bezichtigte Frau aus der Stadt, Grete Langhof, zog den Feuerqualen den Freitod vor, erwürgte sich 1667 im Kerker. Drei beispielhafte Schicksale von Menschen, die zu Opfern des Hexenwahns wurden – drei von rund 60 000 Frauen und Männern in Europa. An die Getöteten und Gequälten aus der Region wird im 5800 Seelen zählenden Gadebusch im Kreis Nordwestmecklenburg künftig eine Gedenkstele oder Gedenktafel erinnern, so hat die Stadtvertretung am Montagabend entschieden.
Im Rahmen der Hexenverfolgung wurden in allein Deutschland schätzungsweise 25 000 bis 30 000 Menschen hingerichtet. Im Jahr 1484 hatte Papst Innozenz VIII. auf Drängen des in Südwestdeutschland und Tirol tätigen Inquisitors Heinrich Kramer die »Hexenbulle« erlassen. Darin beklagte er, viele Menschen hätten sich vom christlichen Glauben abgewandt und sich mit Dämonen eingelassen – und er rief die Verantwortlichen auf, sie zu bestrafen. Kurz darauf schrieb Kramer den «Hexenhammer» Malleus Maleficarum. Das Werk wurde 1486/87 veröffentlicht und entwickelte sich zu einer Art Handbuch für die Hexenverfolgung. Die Verfolgung traf alle: Katholiken und Protestanten, Reiche und Arme, Alte und Kinder, Männer und Frauen. Die Ursachen für die Verfolgung gelten heute als vielfältig und regional unterschiedlich. Zum einen fiel die Hexenverfolgung mit der Zeit der sogenannten Konfessionalisierung zusammen: Katholische wie protestantische Landesherren versuchten, ihre Untertanen zu disziplinieren und fest an den jeweiligen Glauben zu binden. Dabei bedienten sie sich auch der Prozesse gegen die »Hexen«. Dazu kamen zwei Katastrophen, die Hungersnöte auslösten: der Dreißigjährige Krieg und die Kleine Eiszeit, eine Klimaveränderung, die zu strengen Wintern und feuchten Sommern mit entsprechenden Missernten führte. Erklärt wurde dies mit dem «Schadenszauber» der Hexen. dpa/nd
Zugleich beschloss das Kommunalparlament »die moralische Rehabilitierung« der zu Unrecht verurteilten Frauen und Männer aus Gadebusch und Umgegend, die im 16. und 17. Jahrhundert gefoltert und verbrannt worden waren. Von den 16 Mitgliedern der Stadtvertretung stimmten nur zwei gegen den Antrag der dreiköpfigen Linksfraktion. Sie hatte die Rehabilitation angeregt, hatte diesen Wunsch selbst als »den wohl ungewöhnlichsten Antrag« bezeichnet, über den bisher auf Stadtebene zu debattieren war.
Doch nur auf den ersten Blick erscheine die Sache ungewöhnlich, gibt Stadtvertreter Thomas Konieczny (LINKE) zu bedenken. Die schrecklichen Vorgänge zur Zeit der Hexenverfolgung seien oft der Unwissenheit vieler Menschen zuzuschreiben. Mehrere hundert Jahre liegt das zurück – Vergangenheit, so sollte man annehmen. Aber, so unterstreicht Konieczny: Angesichts von Rassismus und Vorurteilen sowie Hetzkampagnen im Internet gegen Flüchtlinge scheine es ihm, »dass eine wachsende Anzahl von besorgten Pegida- und MVgida-Mitbürgern nicht viel weiter ist als die Menschen von damals«.
Die Rehabilitierung soll nun eingeleitet und im Lutherjahr 2017 – dann wird der Reformation vor 500 Jahren gedacht – abgeschlossen werden. Dieses Geschehen möge auch Appell »für ein faires und couragiertes Miteinander in der heutigen Zeit« sein, hofft die Linksfraktion. Die Stadt könne damit ein Signal gegen jede Form menschenverachtender Diskriminierung und Ausgrenzung in Gegenwart und Zukunft setzen.
Mit Blick auf die Opfer der Hexenverfolgung sieht die Fraktion den Beschluss der Stadtvertretung als »Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung«. Gadebusch verurteile damit das geschehene Unrecht, gedenke der Hingerichteten und Gefolterten, rehabilitiere sie öffentlich und gebe ihnen damit im Namen der Menschenrechte ihre Ehre wieder. Zwar sei die Stadt nicht Rechtsnachfolgerin der damals politisch und kirchlich Verantwortlichen, dennoch bestehe eine ethische und moralische Verpflichtung gegenüber ihren Opfern sowie deren Familien und Nachkommen.
Die Nähe des einst gehegten Hasses gegen vermeintliche Hexen zu aktuellem Hassgeschehen gegen Ausländer und Flüchtlinge: Dieser Gedanke fand keine einhellige Zustimmung in der Stadtvertretung, bedauert Thomas Konieczny im Gespräch mit »nd«. Letztlich sei die Fraktion aber erfreut darüber, dass die Mehrheit ihrem Antrag gefolgt ist.
Mit den Fragen, wie die Gedenkstele oder auch eine Gedenktafel gestaltet wird und wo sie ihren Platz bekommt, wird sich nun der Kulturausschuss der Stadt befassen. Er möchte dabei mit der evangelischen Kirche zusammenarbeiten.
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