Ruhe durch Rudelbildung

Am Airport Leipzig-Halle sollen Anwohner mit neuem Landeverfahren entlastet werden - Lärmgegner sind skeptisch

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Frachtverkehr am Flughafen Leipzig-Halle bringt der Region vor allem nachts erheblichen Lärm. Ein neues Anflugverfahren soll jetzt ein wenig Besserung bringen. In unmittelbarer Nähe bleibt es aber laut.

An einem gewöhnlichen Vormittag herrscht am Flughafen Leipzig-Halle idyllische Ruhe; es hebt kaum ein Flugzeug ab. Betrieb setzt erst ein, wenn sich die Anwohner schlafen gelegt haben: Nach 22 Uhr landen binnen vier Stunden 60 Maschinen mit Paketen, die in einem Frachtknoten der Posttochter DHL sortiert werden und morgens wieder auf die Reise gehen. Der Lärm beeinträchtigt für Tausende Menschen rund um die Großstädte Halle und Leipzig den Nachtschlaf.

Zumindest einigen von ihnen wird jetzt Entlastung in Aussicht gestellt. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) nutzt ab dem kommenden Wochenende ein neues Anflugverfahren. Ziel sei, »dass es am Boden leiser wird«, sagt der zuständige Planer Robert Ertler. Im Kern sollen die Maschinen je nach Windrichtung in zwei trichterförmigen Sektoren westlich oder östlich des Flughafens gebündelt und auf Knotenpunkte in 1500 Metern Höhe hingeführt werden, an denen der eigentliche Landeanflug beginnt. Dieses »Point Merge«-Verfahren (zu deutsch etwa Sammelpunkt-Verfahren) wird erstmals an einem größeren deutschen Flughafen angewendet; international ist es seit dem Jahr 2011 in Oslo im Einsatz.

Vor allem die nächtlichen Überflüge der Großstädte Halle und Leipzig sollen sich auf diese Weise verringern. Auch rund um Bitterfeld, Delitzsch oder Markleeberg wird Entlastung versprochen. In diesen Bereichen nutzen die Flugzeuge künftig größere Höhen.

Laut Deutscher Flugsicherung könnten bis zu 200 000 Menschen auf diese Weise entlastet werden. Wie stark der Lärm zurückgeht, lasse sich aber nicht prognostizieren. Nach einem Jahr soll es eine Auswertung geben.

Keinerlei Auswirkungen haben die Veränderungen auf Anwohner, die im gut 18 Kilometer langen Landekorridor des Flughafens wohnen. »Für die letzten zehn Meilen gibt es keine Entlastung«, sagt Ertler. Auch die Lärmbelastung durch Starts wird sich nicht ändern. Die DHL-Maschinen heben im Morgengrauen ab.

Die Bürgerinitiative »Gegen Flug- und Bodenlärm« äußerte sich denn auch skeptisch. Zwar könne das Verfahren lokal zu Entlastungen führen. Der »entscheidende, extreme Lärm« werde aber durch Starts, Landungen und Bewegungen auf dem Flugfeld verursacht, sagte Sprecher Matthias Zimmermann dem »nd«. Er hält die jetzigen Vorschläge für »nichts als Placebo«. Für die wirksame Entlastung müssten zum Beispiel An- und Abflüge gleichmäßiger auf die nördliche und südliche Startbahn verteilt werden.

Auch die Grünen rechnen nicht mit einer nennenswerten Reduzierung des Fluglärms. Er erwarte »allenfalls äußerst geringfügige Entlastungen«, sagte Wolfram Günter, umweltpolitischer Sprecher im sächsischen Landtag, dem »nd«. Eine wirkliche Lärmminderung und damit ein besserer Gesundheitsschutz sei nur durch ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr zu erreichen. Als Hauptgesellschafter des Flughafenbetreibers sei der Freistaat Sachsen »in der Lage«, dieses zu verfügen.

So lange nachts geflogen werde, sagt der Grünen-Politiker Günter, sollten wenigstens für Flugzeuge mit besonders lauten Triebwerken »deutlich verschärfte« Start- und Landegebühren erhoben werden, wie es in Zürich mit Erfolg praktiziert werde. Derzeit seien die Gebühren vor allem für die Nachtlandung lauter Maschinen sehr niedrig. Leipzig sei damit der »billige Jakob« im Dumpingwettbewerb der deutschen Flughäfen. Nutznießer sei allein die DHL, die in der Nacht schnell und billig Expressgut umschlagen wolle - auf Kosten von Nachtschlaf und Gesundheit der Bürger.

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