Stuttgart: Grüne Entschuldigung für »schwarzen Donnerstag«

Kretschmann: Können ungesetzlichen Polizeieinsatz von 2010 nicht ungeschehen machen / Land akzeptiert Urteil über Einsatz / Entschädigungen für Polizeiopfer erwartet / Anwalt: »großartige Geste«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich persönlich bei den Opfern des harten Polizeieinsatzes gegen Stuttgart-21-Demonstranten entschuldigt. »Wir können die Ereignisse vom 30. September 2010 nicht ungeschehen machen. Wir können auch die körperlichen Wunden, die viele dabei erlitten haben, nicht heilen. Wir können uns nur für das Geschehen aufrichtig und ernsthaft entschuldigen«, sagte der Regierungschef am Donnerstag bei einem Treffen mit Opfern. Diese Entschuldigung richte sich ausdrücklich an alle, die von dem Polizeieinsatz am sogenannten Schwarzen Donnerstag betroffen waren.

Die Landesregierung will außerdem keine Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart einlegen, das den damaligen Einsatz kürzlich für rechtswidrig erklärt hatte.

Bis heute wird in der baden-württembergischen Landeshauptstadt vom »schwarzen Donnerstag« gesprochen, wenn es um das Geschehen am 30. September 2010 geht. Ein Areal im Schlossgarten nahe dem Hauptbahnhof sollte von der Polizei geräumt und gesperrt werden, weil dort für die Arbeiten an dem geplanten Tiefbahnhof Bäume fallen sollten. Tausende Demonstranten waren damals in den Park geströmt, als dieser für die ersten Baumrodungen im Zuge des Umbaus am Hauptbahnhof geräumt werden sollte. Vor allem durch den Einsatz von Wasserwerfern wurden dabei Menschen verletzt. Der »Schwarze Donnerstag« gilt als Symbol für den jahrelangen Kampf gegen das milliardenschwere Bahnprojekt, bei dem der Stuttgarter Hauptbahnhof laut Bahn bis 2021 in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut wird.

Anwalt Frank-Ulrich Mann, der vier Opfer vertritt, sprach von einer »großartigen Geste« des Ministerpräsidenten, obwohl er den Einsatz gar nicht zu verantworten hatte. Damals war Stefan Mappus (CDU) Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Das Thema Entschädigung wolle das Land im kommenden Jahr mit den Betroffenen möglichst außergerichtlich klären, sagte der Jurist. Das Polizeipräsidium Stuttgart will im Januar auf die Geschädigten zugehen, um mit ihnen über Entschädigungen zu sprechen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte im November entschieden, der Polizeieinsatz habe gegen das Grundgesetz verstoßen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden mehr als 160 Menschen, nach Auskunft der S-21-Gegner mehr als 400 Menschen durch Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt, als sie gegen den umstrittenen Tiefbahnhof auf die Straße gegangen waren.

»Die Opfer haben die Entschuldigung des Landes Baden-Württemberg angenommen«, sagte Anwalt Mann am Abend. »Man hat gemerkt, dass es ihm (Kretschmann) wirklich ein Herzensanliegen ist.« Auch die Landespolizei habe sich für das damalige Verhalten der Beamten entschuldigt. Mann vertritt unter anderem den mittlerweile nahezu erblindeten Dietrich Wagner, der am »Schwarzen Donnerstag« nach Druckstößen aus einem Wasserwerfer gegen seinen Kopf aus den Augen blutete. Ein Foto, wie er am 30. September 2010 gestützt auf Helfer den Stuttgarter Schlossgarten verlässt, ging um die Welt. Agenturen/nd

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