Bayern reißt unbekümmert Verfassungshürden

Noch bevor Vorratsdaten erhoben werden können, verteilt Innenminister Herrmann sie an den Verfassungsschutz

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ist am Freitag in Kraft getreten. Auch wenn die Speicherung von Daten noch ein paar Monate dauert, prescht Bayern bereits mit einer eigenen Regelung vor.

Mit der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt nahm das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung die letzte Hürde. Am Freitag trat es in Kraft. Zehn Wochen lang soll künftig nachvollziehbar sein, wer mit wem per Telefon in Verbindung stand oder das Internet nutzte. Vier Wochen lang soll bei Handytelefonaten oder SMS-Kurznachrichten auch der Standort gespeichert werden. Wie das Online-Portal golem.de mitteilte, werden die ersten Daten jedoch erst in 18 Monaten gespeichert. Zwölf Monate habe die Bundesnetzagentur Zeit, die gesetzlichen Vorgaben in detaillierte technische Regelungen zu überführen. Danach blieben den Providern weitere sechs Monate, die technischen Regelungen umzusetzen.

Der Bundestag hatte das umstrittene »Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten« im Oktober beschlossen. Ein Vorläufer des Gesetzes war 2010 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden, die Telefonanbieter waren zur Löschung aller entsprechend erhobenen Daten verpflichtet worden. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 war zudem im vergangenen Jahr vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt worden, weil Verstöße gegen die Europäische Grundrechtecharta festgestellt wurden.

Auch gegen die nun in Kraft getretene Variante hatte es starken Widerstand gegeben. In einem Brief forderte zuletzt die Bundesrechtsanwaltskammer den Bundespräsidenten auf, das Gesetz nicht auszufertigen. Joachim Gauck setzte es dessen ungeachtet mit seiner Unterschrift in Kraft, weshalb nun wiederum Verfassungsklagen das letzte Mittel wären, das Gesetz zu stoppen. Tatsächlich hatte die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrem Brief argumentiert, das Gesetz sei verfassungswidrig, weil es das Speichern der Standort- und Verkehrsdaten von Berufsgeheimnisträgern erlaube, damit auch von Rechtsanwälten. Der Verein digitalcourage e.V. bereitet eine Verfassungsklage vor, erneut meldete sich auch der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung zu Wort und rief zur Unterstützung von digitalcourage.de auf.

Unterdessen prescht erneut Bayern vor, um die anlasslose Speicherung von Telefondaten für die Sicherheitsbehörden auch nutzbar zu machen. Die Landesregierung beschloss am Dienstag eine Vorlage von Innenminister Joachim Herrmann (CSU), nach der auch der Verfassungsschutz Zugriff auf die Daten erhalten soll. Zu Beginn einer sogenannten Telekommunikationsüberwachung soll die Behörde auch auf die Vorratsdaten zugreifen dürfen - das heißt abfragen, mit wem Personen in den vorangegangenen zehn Wochen in Kontakt waren. Der Landtag muss dem Gesetz noch zustimmen. SPD und Grüne haben schwere Bedenken und behalten sich eine Verfassungsklage vor. Denn in Bayern wäre damit wäre außer der anlasslosen Datenspeicherung auch ein Zugriff des Geheimdienstes auf Erkenntnisse sanktioniert, die eigentlich der Polizeiarbeit dienen sollen. Eine strikte Trennung von Polizei- und Geheimdienstarbeit gehört zum Grundverständnis des deutschen Rechts.

Herrmann verteidigte sein Vorgehen. »Angesichts der unverändert hohen Bedrohungslage ist es mir wichtig, die Handlungsfähigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes zu erhalten«, sagte der Minister nach der Kabinettssitzung. Der Verfassungsschutz dürfe überdies nicht willkürlich Verbindungsdaten abfragen, sondern jede Abfrage müsse von der sogenannten G10-Kommission des Landtags genehmigt werden. Bayern sei in dieser Hinsicht nun bundesweiter Vorreiter. Mit Agenturen

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