Mineralöl hinter jedem Türchen?
Discounter reagieren nur langsam auf Vorwürfe
Ein Lebensmittelskandal dürfte vielen Verbrauchern - besonders Eltern - die Weihnachtsfeiertage verhagelt haben. Seit Wochen hatte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch vor Mineralölrückständen in Schokoladenweihnachtskalendern gewarnt und eine Reaktion der Hersteller gefordert. Schuld ist nicht etwa mangelnde Sorgfalt bei der Schokoladenherstellung sondern die Farbe auf den kartonierten Außenseiten der besonders bei Kindern beliebten Vorweihnachtszeits-Überbrücker. Das verwendete Altpapier enthält oft Reste mineralölhaltiger Druckfarben.
Laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden in Kalendern der Hersteller Frankenwald Confiserie Bauer, Feodora, Windel sowie vom Discounter Netto geringe Mengen sogenannter aromatischer Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) nachgewiesen. Laut LGL können diese potenziell krebserregend sein. Netto wehrte sich gegen die Veröffentlichung, scheiterte mit seinem Eilantrag aber vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München. Das Landesamt betonte auf seiner Internetseite, dass der Verzehr der Schokolade »keinen Anlass zur Besorgnis« gebe. Einen gesetzlichen Grenzwert für MOAH gibt es nicht. Trotzdem seien die Rückstände in Lebensmitteln generell »unerwünscht«. Foodwatch kritisierte, dass die Behörden den Verkauf der Kalender nicht stoppten. Inzwischen sei die Schokolade größtenteils verzehrt.
Seit Jahren warnen Verbraucherschützer vor mit Mineralölbestandteilen belasteten Lebensmittelverpackungen. Egal ob Saftkartons oder Reiskartons - in vielen wurden MOAH-Rückstände gefunden, die in die Nahrung übergehen können. Erst Anfang Dezember nahm die Supermarktkette Real nach längerem Streit mit Foodwatch eine Sorte Reis aus den Regalen. Man werde das Produkt erst wieder verkaufen, »wenn uns von dem Lieferanten überzeugend nachgewiesen werden konnte, dass Maßnahmen eingeleitet wurden, um Mineralölgehalte auf ein Minimum zu reduzieren«, schrieb die Handelskette an Foodwatch.
Das Unternehmen Rewe reagierte laut Aussage von Foodwatch inzwischen auch auf Vorwürfe und kündigte Änderungen bei einem vermutlich mit MOAH belasteten Weizengrieß an. Ab 2016 soll das Produkt in neuer Verpackung verkauft werden. Das gehe aus einer Antwort des Bioverbands Naturland hervor, unter dessen Siegel das Produkt bei Rewe verkauft wird.
In Kosmetika wie Cremes, Lippenpflege oder Make-up findet sich Mineralöl als einer der Hauptbestandteile, die Inhaltslisten wimmeln nur so vor paraffinum liquidum, cera microcristallina oder petrolatum. Viele davon sind laut einem Test der Stiftung Warentest auch mit den potenziell gesundheitsschädlichen MOAH belastet. In einigen Produkten fanden die Tester bis zu 15 000 Mal so hohe Werte, wie in Lebensmitteln nachgewiesen wurden. Zu längerfristigen gesundheitlichen Folgen gibt es kaum Erkenntnisse, Verbraucherschützer vermuten jedoch, dass MOAH krebserregend und sogar erbgutverändernd wirken könnten. grg
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