»Die tun uns nichts«
Immer mehr zivile Drohnen steigen auf. Unternehmen hoffen auf Absatz, die Behörden sehen auch viele Risiken
Ein leises Surren und dann steigt der achtmotorige Flugkörper senkrecht in den Himmel. Oben bleibt es in der Luft stehen und schickt hochwertige Bilder aus der eingebauten Kamera zum Boden. Zivile Drohnen als Hobby oder im gewerblichen Einsatz erobern immer mehr den Himmel über Deutschland. Auf Herz und Nieren geprüft werden die englisch »UAV« abgekürzten Flugobjekte unter anderem auf Deutschlands erstem Drohnen-Testgelände im schwäbischen Tussenhausen. Das bayerische Wirtschaftsministerium förderte im Freistaat die »industrielle Kompetenz« in Sachen unbemanntes Fliegen unter dem Namen »DEMUEB« mit fast vier Millionen Euro.
»DEMUEB« steht für »Demonstration zum Thema UAV in Bayern«, und aus diesem Fördertopf kamen auch die Finanzmittel für die Erprobung von Drohnen für den Einsatz bei der Polizei. Zum Beispiel bei der Verfolgung flüchtender Bankräuber, die eine Geisel genommen haben. Ein Streifenwagen kann sich nicht an das Fluchtfahrzeug hängen, das würde das Leben der Geisel gefährden. Also steigt eine kleine Drohne auf und heftet sich an die Fersen der Bankräuber. Sie folgt automatisch ihrem Ziel, der Steuermann sitzt in einem Polizeihubschrauber, der freilich außerhalb der Sichtweite bleibt.
Das ist eines von zwei Szenarien, das die bayerische Polizei für die Erprobung von Drohnen vorgegeben hat. Das andere Szenario war eine Vermisstensuche. Erprobt werden soll der Einsatz auch bei Rettungsdiensten, Feuerwehr und Katastrophenschutz. Federführend ist dabei die Firma »Cassidian Air Systems«, der militärische Zweig des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Airbus (früher EADS). Mit dabei auch die Technische Universität München, die von Cassidian einen Forschungsauftrag über die »Bewertung und Minimierung der Signatur von unbemannten Flugzeugen« erhielt. Es ging dabei um die Geräuschreduzierung von Drohnen-Antrieben.
Und wie sieht es mit dem Einsatz von Drohnen bei Demos aus? Noch verwendet die bayerische Polizei keine Drohnen. Eine Überwachung von Großveranstaltungen oder Demonstrationen gehöre nicht zu den definierten Testszenarien, so die Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag. Der Einsatz von Aufnahmegeräten durch die Polizei sei auch nur dann gestattet, wenn das für die Versammlungsteilnehmer erkennbar ist.
Testen und Fördern - der Staat engagiert sich derzeit stark für die aufsteigende Technologie. Federführend beim »Deutschen Erprobungszentrum für Unbemanntes Fliegen« ist der Verein »bavAIRia«, der von der Staatsregierung in München mit der Federführung des »Clusters Aerospace« beauftragt wurde. Ziel: die »bayerischen Kernkompetenzen« in der Luftfahrt zu stärken. Bei der Eröffnung des Testgeländes vor wenigen Monaten war zum Beispiel ein Ultraleichtflieger mit von der Partie, der im Juli die Alpen in beiden Richtungen mit nur 18 Kilowattstunden elektrischer Energie überquert hatte.
Das Testgelände soll die Drohnentechnologie fördern - und deren öffentliche Akzeptanz fördern. Geflogen werden können dort unbemannte Systeme bis zu 150 Kilogramm, allerdings nur im Sichtflug. »Für Firmen wird es so einfacher, ihre Geräte zu testen«, sagt Erwin von Lauschner vom bavAIRia.
Szenenwechsel: Der Modellflugplatz des »MSC Red Baron« liegt im Osten von München, nahe Feldkirchen. Rund 100 Mitglieder lassen hier ihre Modellflieger auf einer Graspiste starten. Mit dabei Frank Joosten, zweiter Vorsitzender des Klubs. Er steuert einen kleinen Düsenjet, eine »Superscorpion«. In einiger Entfernung lassen fünf »Red Baron«-Mitglieder ihre ferngesteuerten Multicopter in den weißblauen Himmel aufsteigen. »Auf unserem Flugfeld ist das kein Problem«, sagt Joosten, es gebe klare Regelungen, und die würden eingehalten.
Das gilt freilich nicht für alle Hobbypiloten von Drohnen. »Wenn ich manche damit im Englischen Garten in München fliegen sehe, wird mir ganz schlecht«, sagt der 46-Jährige, der selbst als Pilot eines Verkehrsflugzeuges beruflich unterwegs war.
Für alles, was fliegt, sind die Luftfahrtbehörden der Länder zuständig, hier ist es das Luftamt Südbayern. Die Regeln für den Betrieb von Hobbydrohnen sind klar: In Sichtweite fliegen, niemanden gefährden, keine Privatsphäre verletzen, den kontrollierten Luftraum meiden. Um Flughäfen gilt eine Sperrzone von 1,5 Kilometern. »Eigentlich würden die rechtlichen Vorgaben ausreichen«, sagt Pilot Joosten, die »Frage ist nur, ob die Leute darüber Bescheid wissen.«
Das scheint mitnichten der Fall. Mit der zunehmenden Zahl der privat genutzten Drohnen häufen sich auch unliebsame Vorfälle. So wäre es beim Landeanflug einer Lufthansa-Maschine in Warschau beinahe zu einem Zusammenstoß mit einer Drohne gekommen. Beim Luftamt Südbayern gehen immer wieder Klagen über die kleinen Fluggeräte ein, zum Beispiel vom ADAC, der seine Hubschrauberflotte in Gefahr sieht. Eine Studie habe im Sicherheitsbereich rund um einen großen deutschen Flughafen seit 2012 an die 1000 Drohnenaufstiege gezählt, heißt es beim Hamburger »Instituts für unbemannte Systeme«.
Besteht also doch Regelungsbedarf in Sachen Drohnen? Die Konrad-Zuse-Straße in Krailling, ein Ort im Westen von München. Im Industriegebiet ist in einem modernen Gebäude der Firmensitz der Ascending Technologies GmbH untergebracht. Das Unternehmen stellt Drohnen für die kommerzielle zivile Nutzung her. Die Nachbarn haben sich längst daran gewöhnt, dass auf den Grünflächen junge Männer mit Fernsteuerungen vor dem Bauch kleine surrende Fluggeräte durch die Luft bewegen. Das Unternehmen wurde 2007 von vier jungen Ingenieuren gegründet, man hatte sich über den Wettbewerb »Jugend forscht« kennengelernt.
Einer von ihnen ist Daniel Gurdian. 2002 hatte er als Schüler mit der Entwicklung eines Quadrocopters einen vierten Preis bei »Jugend forscht« gewonnen - das Gerät wurde anschließend von einem chinesischen Investor als Spielzeug auf den Markt gebracht. Heute zählt die Kraillinger Firma mit 60 Mitarbeitern zu den deutschen Branchenführern in Sachen unbemannter Luftfahrzeuge. Über 1000 Geräte für den zivilen Bereich wurden bereits ausgeliefert. Auf zwei Stockwerken werden sowohl das eigentliche Fluggerät als auch die verwendeten Steuerungsplatinen produziert. Die Nachfrage ist groß, in Hochzeiten müssen die Kunden mit einer Lieferzeit von mehreren Monaten rechnen.
Ein Treffen in den Firmenräumen mit Matthias Beldzik. Wie schätzt er die momentane Marktlage für zivile Drohnen ein? »Es findet derzeit ein gewisses Umdenken bei den Firmen und der Öffentlichkeit statt«, sagt der Manager. Bislang hätten Unternehmen eher gezögert, was den Einsatz unbemannter Fluggeräte anbelangt. Doch inzwischen »ist der Markt am Aufwachen«.
In der Tat gibt es jede Menge Einsatzmöglichkeiten für zivile Drohnen: von der Inspektion von Gebäuden oder Ölplattformen im Meer bis hin zu Objektüberflügen zwecks Denkmalschutz oder Einsätzen in der der Landwirtschaft.
Oder die Vermessung von Baustellen. In München-Moosach, einem Neubaugebiet am Hartmannshofer Bächl, errichtet das städtische Referat für Bildung und Sport eine Kindertagesstätte. Der Rohbau ist fertiggestellt, die Arbeiter passen gerade die Fenster in die vorgesehenen Aussparungen ein. Plötzlich halten die Monteure inne und richten ihren Blick auf den Himmel über ihnen. Denn dort schwebt in einer Höhe von etwa 50 Metern ein Octocopter heran - eine zivile Drohne mit acht Rotoren. In einiger Entfernung fliegen zwei Gänse vorbei. »Die tun uns nichts«, sagt Sebastian Tuttas, »und wir tun ihnen auch nichts.« Der 30-jährige Vermessungsingenieur steuert per Fernbedienung das »unbemannte Luftfahrtsystem«, wie der Octocopter auf Amtsdeutsch heißt. Neben ihm steht sein Kollege Ludwig Hoegner mit dem Laptop in der Hand, auf dem die mit der Drohne gewonnenen Daten ausgewertet werden.
Die beiden Ingenieure sind Mitarbeiter an der Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen der Technischen Universität München. Ihr Fachgebiet: Photogrammetrie und Fernerkundung.
Ingenieur Tuttas dokumentiert den Baufortschritt am Hartmannshofer Bächl per Drohne, die mit einer Kamera ausgestattet ist. Gelenkt wird die Drohne mit zwei kleinen Hebelchen an der Fernsteuerung: Surrend setzen sich acht kleine Plastikrotoren in Bewegung, rasch gewinnt das »unbemannte Luftfahrtsystem« an Höhe.
Der Flugbetrieb der gewerblichen Drohne unterliegt im Unterschied zu dem von Hobbydrohnen bereits jetzt jeder Menge Regelungen. Da ist zunächst die behördliche »Aufstiegserlaubnis«, in diesem Fall ausgestellt vom zuständigen Luftfahrtamt Bayern Süd. Das Team von der TU München hat das Papier bei sich, für den Fall der Fälle. Geflogen werden darf nur bis zu einer Höhe von 100 Metern - und auch nur in Sichtweite.
Das entspricht den bisher gültigen gesetzlichen Vorschriften. Manager Beldzik weiß, dass es für die Zukunft des Drohnenmarktes entscheidend ist, wie weit die behördliche Regulierung geht. Beldzik kann mit den in Deutschland geltenden Regeln gut leben. Doch bald könnte es nötig werden, neu zu planen: Das Bundesverkehrsministerium arbeitet an einer neuen Verordnung für den Drohnenflug.
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