Gasversorger machen mit Preispolitik Milliarden Extragewinn
Stark gefallene Beschaffungskosten nicht an Verbraucher weitergegeben / Studie im Auftrag der Grünen: 132 Euro Entlastung pro Kunde einbehalten
Berlin. Viele deutsche Gasversorger lassen ihre Kunden einer Studie zufolge nicht ausreichend an den stark gefallenen Beschaffungspreisen an den Weltmärkten teilhaben. Sie hätten dadurch 2015 insgesamt 1,3 Milliarden Euro extra eingenommen, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Hamburger Energiefachmanns Steffen Bukold im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion. Die privaten Endkunden müssten zuzüglich des Umsatzsteuereffektes mit einer Belastung von 1,54 Milliarden Euro rechnen. Einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden kostete das im Jahr 2015 zusätzlich 132 Euro. Auch für Industriekunden spiegelten sich die fallenden Importpreise auf dem Gasmarkt kaum wider.
Für 2016 hätten die Versorger zwar etwas breitere Preissenkungen angekündigt. Auch dabei mache bisher aber nur gut ein Fünftel der Anbieter mit. Den Verbrauchern bleibe nur der Weg, die Tarife sorgfältig zu vergleichen und gegebenenfalls zu wechseln, rät der Wissenschaftler. Im Schnitt könne inzwischen in jeder Region zwischen 65 Anbietern gewählt werden. Die Preisunterschiede lägen dabei vielfach über zehn Prozent bei gleicher Leistung.
Die Gaspreise fallen international seit Jahren, in Europa seit 2014 um rund ein Drittel. Grund ist das Überangebot auf den Weltmärkten unter anderem wegen der Förderung in den USA per Fracking. Von diesem Trend profitieren die deutschen Verbraucher laut Bukold aber viel zu wenig. Nach seiner Auswertung der Beschaffungspreise an der Börse und der Verbraucherpreise der Gasanbieter mussten die Endkunden 2015 im Schnitt gut 0,6 Cent pro Kilowattstunde - also etwa ein Zehntel des Preises - zu viel bezahlen. Besonders stark ausgeprägt war dies demnach in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonte, dass der Endkundenpreis für Gas nur zu etwas mehr als der Hälfte von den Beschaffungskosten abhänge. Dazu kämen Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben. Zum Teil seien steigende Netzentgelte für 2016 zu erwarten, die die Gaslieferanten dann in ihrer Kalkulation berücksichtigen müssten. Außerdem verwies auch der BDEW-Sprecher auf den wachsenden Wettbewerb am Markt: »Immer mehr Haushaltskunden in Deutschland nutzen die Möglichkeit, ihren Energieversorger zu wechseln.«
»Die Versorger, die jetzt ihre Gaspreise nicht senken, müssen das sehr gut begründen«, kritisierte der Energiefachmann Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. »Wenn nicht im Laufe der nächsten Monate eine Preissenkung angekündigt ist, sollte man einen Wechsel seines Versorgers in Betracht ziehen«, sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Bärbel Höhn. Agenturen/nd
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