Saudi-Arabien als Partner? »Aufschrei« nötig
Linkspartei und Grüne kritisieren Haltung der Bundesregierung gegenüber autoritärem Regime / Stopp von Waffenexporten verlangt / Sogar in der SPD kritische Töne
Berlin. Nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien werden in der Bundesrepublik erneut Forderungen nach einer Prüfung der Beziehungen zu dem autoritären Regime laut. Das Land galt bisher dem Westen als Stabilisator in der Region und wurde unter anderem mit Waffen unterstützt. Für die Lieferungen sorgte politisch unter anderem der SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Nun wird sogar aus seiner Partei der Ruf laut, die Praxis der Waffenexporte zu überprüfen.
»Ich plädiere dafür, bei den Waffenlieferungen sehr zurückhaltend und auch ablehnend zu sein«, sagte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Zurzeit müssen politische Interessen im Vordergrund stehen, wirtschaftliche Fragen haben dahinter zurückstehen.« Dem Deutschlandfunk sagte Mützenich am Montag, die SPD-Fraktion habe Gabriel immer wieder ermutigt, an einem Kurs festzuhalten, den Mützenich als restriktiv bezeichnet. Gabriel habe die in der Vergangenheit genehmigten Rüstungsexporte in den vergangenen Monaten mehrfach verbal infrage gestellt.
Die Bundesregierung hat in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien im Wert von rund 178,7 Millionen Euro genehmigt. Das geht aus dem Zwischenbericht der Bundesregierung zu den Rüstungsexporten 2015 hervor. Die Regierung in Riad war damit nach Großbritannien und Israel auf den dritten Platz der Bestimmungsländer vorgerückt.
Genehmigt wurde unter anderem der Export von Geländefahrzeugen und Teilen für gepanzerte Fahrzeuge sowie von Teilen für Kampfflugzeuge und Übungsdrohnen für das Training von Kampfpiloten. Insgesamt hatte die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt und damit fast so viele wie im gesamten Jahr 2014.
Nach Angaben des Internationalen Konversionszentrums (BICC) in Bonn kann die Entwicklung der Waffenexporte nach Saudi-Arabien indes abschließend erst bewertet werden, wenn die Zahlen für das gesamte Jahr 2015 vorliegen. Das Land gehöre aber seit Jahren »zu den Top-Abnehmern deutscher Rüstungsgüter«, sagte Rüstungs-Experte Max Mutschler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das BICC ist eines der fünf bekannten Friedensforschungs-Institute in Deutschland.
In den vergangenen fünf Jahren lagen die Exporte nach Saudi-Arabien den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung zufolge meist zwischen 150 und 350 Millionen Euro pro Jahr - und damit auf einem im Vergleich zu anderen Ländern »hohen Niveau«, so Mutschler. Im Jahr 2012 gab es zudem mit einem Wert von 1,2 Milliarden Euro einen deutlichen Ausschlag nach oben, weil Deutschland dem Regime in Riad unter anderem Grenzsicherungsausrüstung geliefert hat". epd/nd
Das aber reicht der Opposition nicht. Zuvor hatte bereits der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir den Bundesaußenminister aufgefordert, »das unerträgliche Schweigen der Bundesregierung angesichts der Brutalität in Saudi-Arabien« zu beenden. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk sagte er in Richtung von SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier: »Wirtschaftsinteressen und Rüstungsexporte dürfen nicht länger wichtiger sein, als die menschenrechtliche Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU« Während die Bundesregierung innenpolitisch »hektischen Aktionismus« betreibe, paktiere sie gleichzeitig außenpolitisch mit Saudi-Arabien, »das für die ideologischen Grundlagen des IS verantwortlich ist«. Die jüngsten menschenverachtenden Hinrichtungen an Oppositionellen »sind IS-Methoden«, meinte Özdemir. »Wo bleibt der Aufschrei der Empörung? Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?« Es sei höchste Zeit, dass sich der Bundestag mit Saudi-Arabien beschäftige, verlangte der Grünen-Politiker.
Seine Partei und die größte Oppositionsfraktion, die Linken, hatten immer wieder gegen Waffenexporte in das Regime Stellung bezogen und den sofortigen Stopp aller deutschen Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien gefordert. Die Bundesregierung hatte im ersten Halbjahr 2015 Rüstungsausfuhren im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt, darunter waren Exporte nach Saudi-Arabien im Wert von 178,7 Millionen Euro.
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sagte nun, »die Freiheit verteidigt man nicht dadurch, dass man sie aufgibt, wenn es darauf ankommt«. Leider folge der neue »War on Terror« ihrer Meinung nach jedoch »genau der alten Maxime von Einflussnahme und Außenwirtschaftsförderung«: »strategischer Partner« und Rüstungskunde der Bundesrepublik unterstütze »nicht nur offen terroristische Gruppen wie die Al-Quaida nahe Al-Nusrah Front, im Innern ist er auch eine brutale Diktatur, die religiösen Fundamentalismus in alle Welt exportiert«.
Kipping sagte, es sei »Zeit für eine Außen- und Sicherheitspolitik, die sich tatsächlich an demokratischen Werten orientiert, anstatt nur davon zu reden. Wer den Terror bekämpfen will, darf keine Geschäfte mit seinen Förderern machen«.
Eine Massenhinrichtung politischer Gefangener in Saudi-Arabien hatte am Wochenende international Entsetzen und Proteste ausgelöst. Unter den 47 Getöteten war der oppositionelle schiitische Geistliche Nimr al-Nimr, was die Spannungen mit dem Iran verschärfte. nd/Agenturen
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