Entscheidend - die Zinsfrage
Bausparen
Bundesweites Aufsehen erregte der Fall »Scala«. Die Sparkasse Ulm hatte versucht, mehr als 20 000 Sparer mit Alternativen aus hoch verzinsten Verträgen zu locken - ansonsten drohe die Kündigung. Doch Landgericht und Oberlandesgericht in Stuttgart haben Sparern 2015 den Rücken gestärkt. Ein ordentliches Kündigungsrecht der »Scala«-Verträge bestehe nach den gesetzlichen Vorschriften nicht (vor allem § 489 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB). Die Ulmer Sparkasse legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Zudem laufen noch Verhandlungen über einen Vergleich mit dem Anwalt der Sparkassenkunden.
Ähnlich verbraucherunfreundlich handelten ostdeutsche Sparkassen. »neues deutschland« hatte am 7. Dezember 2015 als erstes Medium darüber berichtet. Allerdings scheinen diese Kreditinstitute behutsamer mit ihren Kunden umgegangen zu sein als die Ulmer.
Dabei hat die Finanzbranche - wie auch Anwälte, die an solchen Klagen gut verdienen - kein wirkliches Interesse an einem höchstrichterlichen Urteil. Die Gefahr wäre groß, dass eine Entscheidung des BGH einen letztlich kostspieligen Präzedenzfall schüfe. Und der könnte nicht allein Sparkassen in Sachsen oder Ulm, sondern auch Banken und anderen Finanzdienstleistern eines Tages teuer zu stehen kommen.
Zeit des Turbo-Sparens vorbei
So haben auch Bausparkassen eine Kündigungswelle losgetreten. Inzwischen sollen mehr als 200 000 Verträge gekündigt worden sein. Auch von privaten Instituten, vor allem aber von Landesbausparkassen, die fast alle um ihre Zukunft kämpfen. Die seit Jahren niedrigen Zinssätze machen ihnen besonders schwer zu schaffen. Da sie nur ein Produkt anbieten, ist die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank für sie noch schwieriger zu verkraften als für Sparkassen, Banken und Versicherer. Zuletzt hatte die genossenschaftliche Bausparkasse Schwäbisch-Hall angekündigt, Aberzehntausende Verträge zu kündigen. Gekündigt werden alte Bausparverträge, für die noch hohe Zinsen gezahlt werden müssen.
Kunden klagen dagegen. In Baden-Württemberg fällte das Landgericht Stuttgart im November 2015 (Az. 12 O 110/15) ein bemerkenswertes Urteil. Es gab einer Kundin Recht, die gegen die Kündigung ihres 1999 abgeschlossenen Bausparvertrages durch die Bausparkasse Wüstenrot geklagt hatte. Nun muss diese weiterhin 4,5 (!) Prozent Zinsen zahlen. Für Bausparer von heute ein Traum - inzwischen liegen die Zinsen bei etwa 0,25 Prozent.
Der Vorstand von Wüstenrot baut nun auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts. Um Zeit zu schinden? Ein BGH-Urteil, das die Entscheidungen der Stuttgarter Richter eines Tages bestätigen würde, könnte jedenfalls die Finanzbranche einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten. Soweit dürfte sie es nicht kommen lassen.
Der Traum wird wahr
Die Rechtsauffassung der Bausparkassen bestätigten indessen andere Landgerichte: Bausparverträge dürfen nach Erreichen der zehnjährigen »Zuteilungsreife« gekündigt werden. Wenn Sie also eine Kündigung durch Ihre Bausparkasse erhalten, sollten Sie sich aber zunächst von einem Rechtsanwalt oder dem Bausparexperten einer Verbraucherzentrale beraten lassen, ob sich eine Klage lohnt.
Wie immer die juristischen Streitigkeiten auch ausgehen mögen. Für Verbraucher sind die lukrativen Zeiten der 2000er Jahre mit hochverzinslichen Turbo-Sparverträgen jedenfalls vorbei. Das Bausparen ist dort angekommen, wo es herkommt: Als eine Möglichkeit, für den Traum von den eigenen vier Wänden vorzusorgen.
Mehr als 30 Millionen Bausparverträge gibt es bundesweit. Jeder neue Vertrag wird über eine bestimmte Vertragssumme abgeschlossen, die sogenannte Bausparsumme. Mit ihr legen Sie fest, welcher Betrag bei der Fälligkeit des Kontraktes an Sie ausgezahlt wird. Die Bausparsumme setzt sich aus dem niedrig verzinsten Guthaben, das Sie ansparen müssen, und einem Darlehen zusammen, das Ihnen von der Bausparkasse später zugeteilt wird. Legen Sie diese Summe zu hoch fest, müssen Sie länger sparen und der Baubeginn für Ihr Haus kann sich verzögern.
Unterstützt wird Ihr Bausparen eventuell durch Zuschüsse des Staates - im Rahmen der privaten Altersvorsorge (»Wohn-Riester«) oder durch die »Wohnungsbauprämie« ab 16 Jahre. Normalerweise reicht ein Bausparvertrag nicht aus. In gewissem Umfang braucht man Eigenkapital, um auch einen Teil über einen Hypothekenkredit zu finanzieren.
In den kommenden ratgeber-Ausgaben wird das Thema weitergehend behandelt.
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