Nachhaltig leben, fair einkaufen

Bei einem Stadtrundgang können Leipziger und ihre Gäste ihr Konsumverhalten überdenken

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Den alltäglichen Konsum auf einer globalen Ebene zu hinterfragen - das ist das Anliegen eines konsumkritischen Stadtrundganges in Leipzig. Startpunkt ist das große Einkaufszentrum am Brühl.

Fair und nachhaltig einkaufen, aber wie? Diese Frage möchte der Leipziger Marcel Pruß vom Verein »Weltoffen« beantworten. In zweistündigen Stadtrundgängen durch die Innenstadt will er zeigen, dass und wie es möglich ist, so einzukaufen, dass niemand ausgebeutet und die Umwelt geschont wird.

Los geht es am Richard-Wagner-Platz direkt an den »Höfen am Brühl«. Das Einkaufszentrum mit seinen 120 Läden stellt für Pruß den »globalen Kapitalismus« dar: Große Ketten verkaufen für fünf Euro T-Shirts, die von Näherinnen in Bangladesch für einen Hungerlohn genäht wurden. »Da gehen wir natürlich nicht rein«, sagt der 36-Jährige. Er weiß, dass jeden Tag Tausende in die »Höfe« strömen, während zu seinem Rundgang immer nur wenige kommen, und die achten meist ohnehin schon auf fairen Einkauf. Dennoch: »Mir geht es um Denkanstöße, und ich glaube daran, dass sich Stück für Stück etwas ändert.« So verweist er auf das immer größere Angebot von Fairtrade-Produkten im ganz normalen Supermarkt, bei Kaufland oder bei Aldi.

Pruß, der sein Geld als Veranstaltungstechniker in einem soziokulturellen Stadtteilzentrum verdient, macht solche Rundgänge gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Räsack auch für Kinder und Jugendliche. Er erklärt dann, dass für ein in der Leipziger Innenstadt verkauftes Handy auf den indonesischen Inseln Bangka und Belitung, wo Zinn abgebaut wird, Wald- und Wasserflächen zerstört worden sind, was Tier- und Pflanzenarten bedroht. Die Jüngeren sind interessiert, ab der Pubertät wird es allerdings schwierig. Pruß geht mit den jungen Leuten durch die Innenstadt, zeigt auf das Pflaster am Richard-Wagner-Platz, das aus China stammt - doch der lange Transportweg wurde beim Preis nicht wirklich berücksichtigt. Bei städtischen Ausschreibungen muss immer der billigste Anbieter genommen werden.

Dass Politik zur Fairness beitragen kann, zeigt der Beschluss des Leipziger Stadtrates, in städtischen Projekten keine Produkte zuzulassen, die durch Kinderarbeit entstanden. Keine Steine aus Indien etwa, wo Kinder in Steinbrüchen schuften müssen.

Die 32-jährige Doreen Vetter gehört an diesem Tag zu den Rundgangteilnehmern: »Ein bisschen was kenne ich schon, aber bei dem Rundgang erhoffe ich mir noch mehr Informationen«, erklärt sie ihre Motivation. Kurzer Halt am Oxfam-Laden in der Hainstraße. Ein ehrenamtliches Team verkauft hier Dinge, die andere gespendet haben. Die erwirtschafteten Finanzmittel kommen der entwicklungspolitischen Arbeit des Oxfam Deutschland e.V. zugute.

»Ein gutes Konzept«, findet Stadtführer Pruß. Was sagt er Skeptikern, die dem fairen Handel misstrauen? »Natürlich ist ein Produkt mit dem Fairtrade-Logo teurer, aber Vertrauen gehört einfach dazu. Bei dem Logo geht es nicht nur um anständige Löhne und Umweltschutz, sondern auch um Gesundheitsvorsorge der Arbeiter und Arbeiterinnen, um Schulbildung und Arbeitsschutz. Nur wenn all das gegeben ist, wird das Logo vergeben.« Gut findet Pruß den Wochenmarkt dienstags und freitags: Gärtner und Bauern verkaufen hier ihre frischen Produkte. »Regional ist das neue Bio« lautet ein gängiger Slogan. Denn was nutzt die ungespritzte Tomate, wenn sie aus Spanien kommt? Leicht skeptisch betrachtet der Stadtführer deshalb auch den neu entstandenen veganen Supermarkt ein Stück weiter in der Nikolaistraße: »Das ist Lifestyle, eine Mode.« Trotzdem sieht er positiv, dass durch immer mehr vegetarisch beziehungsweise vegan lebende Menschen in Deutschland weniger Massentierhaltung nötig ist.

Der Rundgang endet nach Zwischenstationen wie dem »Weltladen« und dem »Grünschnabel« am »Contigo fairtrade shop« gleich neben der Nikolaikirche. Das Geschäft hat sich der Kaffeerösterei und dem fairen Handel verschrieben hat. Filial-Leiterin Anica Deckert weiß, welche Familie in Ghana den Hartgraskorb, der hier verkauft wird, hergestellt hat. Es gibt direkte Geschäftsbeziehungen zu den Produzenten. Mitarbeiter der deutschlandweit vertretenen »Contico«-Kette sind regelmäßig bei den Herstellern vor Ort, um zu kontrollieren. Fair werden auch die Bauern behandelt, deren Kaffee man im »Contigo« kaufen und an der Kaffeebar trinken kann. Der Kaffee schmeckt übrigens hervorragend.

Fairer Stadtrundgang in Leipzig: Jeden 2. Dienstag im Monat, der erste Termin 2016 ist der 14. April; Treffpunkt um 12 und 17 Uhr am Richard-Wagner-Platz, Kosten: 1 Euro. ' Mehr unter www.globalisiert.de

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