Typisch: atypische Beschäftigung

Studie des DBG zeigt prekäre Situation der unter 35-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt

  • Marisa Janson
  • Lesedauer: 3 Min.
Unsichere Arbeit und niedriges Einkommen lassen junge Beschäftigte um ihre Rente fürchten. Zudem werden konservative Geschlechterrollen durch ungleiche Arbeitszeit- und Einkommensverteilung verfestigt.

Befristete Arbeitsverträge, Angst vor Altersarmut und hohe Arbeitsbelastung bei geringer Bezahlung: Atypische Beschäftigung ist gerade für junge Erwerbstätige zur Normalität geworden.

Die Studie »Arbeitsqualität aus der Sicht von jungen Beschäftigen« des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zeigt auf, dass über ein Viertel der unter 35-Jährigen atypisch beschäftigt ist, also befristeten Arbeitsvertrag, eine Teilzeitstelle, einen Minijob und/oder einen Zeitarbeitsvertrag hat. Bei den unter 25-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 46,4 Prozent.

Die meisten der atypisch Beschäftigten sind befristet angestellt. Damit sind sie dreimal so oft von dieser unsicheren Anstellung betroffen als ihre älteren Kollegen. Auch die Zeitarbeit betrifft vor allem die jungen Beschäftigten. Hier ist wieder die Gruppe der unter 25-Jährigen am stärksten betroffen. 9,4 Prozent von ihnen müssen mit der prekären Beschäftigung leben, wohingegen lediglich 1,5 Prozent der über 35-Jährigen durch Zeitarbeit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Große Unterschiede gibt es bei der Verteilung von Voll- und Teilzeitbeschäftigung in Bezug auf die Geschlechter: Während bei den unter 35-jährigen Männern gerade mal vier Prozent in Teilzeit arbeiten, sind es bei den jungen Frauen bereits 36 Prozent. Damit bescheinigt die Studie des DBG »auch bei der jungen Generation schon ein gefestigtes geschlechterspezifisches Erwerbsverhalten«.

Auch die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind bei den unter 35-Jährigen bereits erkennbar. Diese werden im Laufe des Arbeitslebens deutlich größer.

Insgesamt führen die atypischen Beschäftigungsverhältnisse zu einer deutlich schlechteren Bezahlung. Im Schnitt werden sie mit einem Viertel weniger Lohn vergütet. Mit einem monatlichen Bruttolohn von weniger als 1500 Euro müssen etwa 31 Prozent der jungen Beschäftigten auskommen. Hier bestehen auch weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West: Das Einkommen liegt in den neuen Bundesländern 17 Prozent unter dem in den alten.

Im gesamten Bundesgebiet haben 60,6 Prozent der jungen Beschäftigen Angst, dass ihre Rente »nicht oder gerade ausreichen wird«. Das wird als stärkste Belastung im Zusammenhang mit der Beschäftigung genannt. Zudem belastet die Jüngeren ein im Bezug auf ihre geleistete Arbeit prinzipiell unangemessenes Einkommen (35,7 Prozent). Hinzu kommen Zeitdruck (33,7 Prozent), Mehrarbeit im Vergleich zum Vorjahr, die sie in der gleichen Zeit zu erledigen haben (32,6 Prozent), ein für den Lebensunterhalt nicht ausreichendes Einkommen (31,5 Prozent). Zudem werden unter anderem gesundheitliche Faktoren wie ungünstige Körperhaltung bei der Arbeit sowie generelle Sorgen um die berufliche Zukunft als belastend empfunden.

Für 22,4 Prozent der jungen Beschäftigten ist auch die ständige Erreichbarkeit zur Norm geworden. Von ihnen wird erwartet, dass sie per Mail oder Telefon außerhalb der normalen Arbeitszeit zur Verfügung stehen. Von Arbeitshetze und Zeitdruck wird vor allem im Gesundheitswesen (72,5 Prozent) und im Baugewerbe (69,2 Prozent) berichtet. Auch das Gastgewerbe ist mit 50,8 Prozent bei den stressigsten Branchen vertreten.

Die hohen Anforderungen der häufig prekär Beschäftigten führen nicht nur zu persönlichen Belastungserscheinungen. Besonders im Gesundheits- sowie im Erziehungs- und Sozialwesen sind Qualitätsabstriche bei der Arbeit zu beobachten.

Auch das Thema »unbezahlte Arbeit« bleibt auf dem Tisch: Fast 16 Prozent der unter 35-Jährigen arbeiten außerhalb der regulären Beschäftigungszeit unbezahlt für den Betrieb.

Über 75 Prozent aller deutschen Beschäftigten gehen auch mal zur Arbeit, obwohl sie sich »richtig krank gefühlt« haben. Der Anteil derjenigen, die das in den vergangenen zwölf Monaten an mehr als zehn Tagen getan haben, liegt bei den jungen Beschäftigten bei 31,3 Prozent. Im Vergleich dazu sind aber immerhin auch 28,0 Prozent ihrer älteren Kollegen an mehr als zehn Tagen arbeiten gegangen, obwohl sie nicht gesund waren.

Die Gesamtentwicklung sieht der DGB kritisch und fordert daher konkrete arbeits- und sozialpolitische Maßnahmen. So müsse Altersdiskriminierung beseitigt, Stress bekämpft und Mitbestimmung ausgebaut werden. Leiharbeit und »sachgrundlose Befristung« müssen komplett abgeschafft werden.

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