Katalonien bringt Madrid in Bedrängnis
Einigung auf Regionalpräsident Puigdemont könnte Regierungsbildung in Spaniens Hauptstadt erschweren
Barcelona. Nach monatelangem Ringen und kurz vor Ablauf der entscheidenden Frist haben die Unabhängigkeitsbefürworter im spanischen Katalonien ihren neuen Regionalpräsidenten gewählt: Das Parlament in Barcelona bestimmte am Sonntagabend den Bürgermeister von Girona, Carles Puigdemont, zum neuen Regionalpräsidenten. Der 53-Jährige will nun die Abspaltung von Spanien vorantreiben - in Madrid, wo die Regierungsbildung derzeit ebenfalls schleppend verläuft, löste dies höchste Besorgnis aus.
Der neue Regionalpräsident, der mit 70 Ja- zu 63 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen vom Parlament gewählt wurde, gilt als überzeugter Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens. Der 53-jährige Journalist rief denn auch in seiner Rede vor dem Parlament am Sonntagabend dazu auf, den Prozess der Loslösung von Spanien umgehend zu starten. Das Bündnis Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) und die linksradikale Candidatura d’Unitat Popular (CUP), die sich zur Regierungsbildung zusammengerauft hatten, haben im Parlament die absolute Mehrheit und streben die Unabhängigkeit von Spanien binnen 18 Monaten an.
In der nordspanischen Region mit 7,5 Millionen Einwohnern gibt es seit langem starke Unabhängigkeitsbestrebungen. Im November hatten die Unabhängigkeitsbefürworter mit ihrer Mehrheit im Parlament eine Resolution zur Loslösung von Madrid verabschiedet. Das spanische Verfassungsgericht hob den Beschluss Anfang Dezember aber auf und gab damit einer Klage der Zentralregierung in Madrid statt, die eine Abspaltung Kataloniens strikt ablehnt.
Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy sagte in einer Fernsehansprache am Sonntag, seine Regierung werde kein Vorgehen dulden, das »die Einheit und Souveränität Spaniens« gefährde. Allerdings ist Rajoy seit der landesweiten Parlamentswahl vom 20. Dezember selbst in einer schwachen Position. Seine Partido Popular wurde zwar stärkste Kraft, doch fehlen ihr zur bisher die Koalitionspartner.
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