Landwirtschaft ganz anders

Am Wochenende werden wieder Zehntausende in Berlin zur Demonstration für eine Agrarwende erwartet

  • Haidy Damm und Marisa Janson
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Samstag rufen Entwicklungs-, Umwelt- und Verbraucherverbände, Bauernorganisationen, Imker und Tierrechtler unter dem Motto »Wir haben es satt!« zur Großdemo für eine Agrarwende auf.

Die Demonstration für eine Agrarwende geht in diesem Jahr in die 6. Runde. Während in den Berliner Messehallen die »Grüne Woche« ihre Tore öffnet, werden am Samstag im Regierungsviertel wieder Zehntausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet - darunter Tausende Bäuerinnen und Bauern, die teilweise mit ihren Traktoren anreisen werden, wie die Veranstalter am Dienstag in Berlin ankündigten. Zu ihren Forderungen gehören die Einführung einer Herkunftskennzeichnung für Fleisch- und Milchprodukte und ein Verbot des Einsatzes von Gentechnik in der Landwirtschaft. Zudem richtet sich der Protest gegen die Agrarindustrie und die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. Angesicht der Lage der europäischen Milchbauern und dem weiter stattfindenden Höfesterben steht diese Branche besonders im Fokus.

Zuvor hatte der Trägerkreis der Demonstration eine repräsentative Forsa-Umfrage unter Bäuerinnen und Bauern vorgestellt. Demnach ist die Mehrheit der Landwirte in Deutschland der Meinung, dass eine qualitative Kennzeichnung von Fleisch- und Milchprodukten eingeführt werden sollte. 85 Prozent befürworten eine Herkunftskennzeichnung, 71 Prozent stimmen für eine Kennzeichnung der Tierhaltungsform und 75 Prozent wollen, dass erkennbar ist, wenn Gentechnik-Futtermittel im Trog waren.

Fleisch- und Milchprodukte könnten vergleichbar dem Code bei Eiern gekennzeichnet werden. Baden-Württemberg hatte eine entsprechende Initiative für unverarbeitetes Fleisch in den Bundesrat eingebracht. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) setzt dagegen auf freiwillige Vereinbarungen. Nach Ansicht der Agarexpertin von Germanwatch, Reinhild Benning, »drückt sich der Agrarminister mit der freiwilligen Tierwohldiskussion vor tatsächlicher Transparenz bei Fleisch und Milch«.

Während Verbraucher in den Supermärkten mit Handelsnamen wie »Wiesengold« oder »Bauernglück« getäuscht würden, hätten Bauern mit tiergerechter Haltung und heimischen Futtermitteln keine faire Chance, dass Verbraucher ihre Produkte erkennen und angemessen bezahlen. Sie forderte eine Pflichtkennzeichnung. Benning warnte auch vor den Folgen der EU-Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. In den Verhandlungen und den bereits fertigen Vertragstexten zeichne sich schon jetzt ab, dass die USA Regionalität als Handelshemmnis einstufen würden.

Auch das Bündnis »Grüne Woche demaskieren!« fordert dazu auf, in seinem »Tierbefreiungsblock« an der Demonstration teilzunehmen. Die Gruppe nimmt seit drei Jahren die Agrarmesse zum Anlass, »gegen die zerstörerischen Folgen der Tierhaltung zu protestieren«, so Sandra Franz vom Bündnis. Wie das Bündnis »Wir haben es satt«, fordern auch sie eine Agrarwende. »Wir haben aber weitergehende Forderungen.« So fehle ihnen die grundsätzliche Kritik an der Tierausbeutung sowie das Bewusstsein, dass es sich »auch bei Bioprodukten meist um Massentierhaltung handelt«. Damit würden »fundamentale Bedürfnisse der Tiere unter die der Ökonomie gestellt«. Franz betont aber, dass »eine Agrarwende nur mit den Bauern stattfinden kann«. Diese seien nicht die Gegner. Die Agrarwende müsse sich kleinbäuerlichen Strukturen zuwenden. Das Fernziel von »Grüne Woche demaskieren!« ist eine bio-vegane, solidarische Landwirtschaft, die für Bauern und Verbraucher bedürfnisorientiert gestaltet sein sollte.

Auf der Grünen Woche ist die Gruppe nicht beliebt. Ein Kletteraktivist hatte vergangenes Jahr im Rahmen einer Protestaktion auf dem Messegelände ein 100 Quadratmeter großes Transparent gespannt. Gestern fiel das Urteil: 30 Tagessätze wurden als Verwarnung unter Strafvorbehalt ausgesprochen. Sprich: wenn er erneut auf der Grünen Woche aktiv wird, muss er zahlen. Der Angeklagte hatte Freispruch beantragt. Er berief sich auf das »Fraport-Urteil« des Bundesgerichtshofes, nach dem auf »gemischtwirtschaftlichen Unternehmensgeländen« ebenso wie auf öffentlichem Gelände Demonstrationen zugelassen werden müssen. Da die Messe Berlin zu 99,7 Prozent dem Land Berlin gehöre, unterliege sie dem Fraport-Urteil und müsse das Recht auf Versammlungsfreiheit gewähren. Der Richter des Amtsgerichtes Tiergarten lehnte eine solche Interpretation ab.

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