Vision und Abschied
Klaus Joachim Herrmann über die letzte Rede Obamas an die US-Nation
Der scheidende US-Präsident geht zurück auf Anfang. Wie vor seinem Amtsantritt sucht er mit Worten zu verzaubern, nutzt er sein Talent für Wort und Vision. Statt einer nüchternen Bilanz bietet er in der wohl letzten Rede an die Nation noch einmal den verheißungsvollen Ausblick auf ein Amerika der Zukunft. Die damit verbundenen Aufgaben müssen jedoch längst anderen zugedacht werden, ihm nicht mehr.
Solche Leistungen wie die Krankenversicherung Obamacare, eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba oder das Atomabkommen mit Iran kommen nicht recht zur Geltung. Sie scheinen unterschätzt zu werden und nur den Verdacht zu nähren, dass in beiden Amtszeiten mehr möglich gewesen sei. Vielleicht gelingt noch die Abkehr von der Schande der allem Recht Hohn sprechenden Gefangenenhölle Guantanamo.
Anfangs wurde Barack Obama an den Vorgängern gemessen, dann zunehmend an sich selbst. Verheißungen und die von ihm geweckten und in ihn gesetzten Erwartungen überstrahlen bis heute die Wirklichkeit. Enttäuschung ist folgerichtig. Warum aber sollte Obama nach seinem Abschied nicht größere Achtung und Wertschätzung gewinnen. Das gelang zum Beispiel dem notorisch unterschätzten, aber allzu spät als honorig anerkannten Jimmy Carter - im Vergleich mit den Nachfolgern.
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