Worin bestehen Nutzen und Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln?
Leserfrage
Antwort gibt Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte der Deutsche Krankenversicherung (DKV):
970 Millionen Euro geben die Deutschen pro Jahr für Nahrungsergänzungsmittel wie Fischölkapseln, Vitamintabletten oder Ginsengextrakt aus. Dabei leiden die wenigsten Menschen an Nährstoffmangel.
Können Nahrungsergänzungsmittel einem Vitaminmangel vorbeugen?
Die meisten Experten sind sich einig: Deutschland ist kein Vitaminmangelland. Zwar hält sich hartnäckig der Mythos, dass unsere Böden an Nährstoffen verarmt seien und Lebensmittel daher nicht mehr so viele Vitamine wie früher beinhalten. Aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Weil in der Landwirtschaft so viel Dünger zum Einsatz kommt, ist der Nährstoffwert in den Lebensmitteln sogar noch angestiegen. Vitaminmangel und dadurch bedingte Krankheiten kommen hierzulande folglich nur selten vor.
Das bedeutet: In den meisten Fällen sind Ergänzungsprodukte schlicht überflüssig. Andersherum gilt: Eine einseitige Ernährung lässt sich auch durch die Einnahme von Tabletten oder Dragees nicht ausgleichen. Und wer meint, mit dem Verzehr synthetischer Vitamine nichts falsch machen zu können, irrt. Die oft zu hoch dosierten Mittel können durchaus Gesundheitsprobleme verursachen. Bei Überdosierung drohen Vergiftungserscheinungen. Zu viel Vitamin A führt zu Hautveränderungen, Kopfschmerzen und Leberschäden; wer zu viel Vitamin D schluckt, riskiert eine Verkalkung von Herz, Niere und Lunge.
Es gibt viele Nahrungsergänzungsmittel im Handel, die glänzende Haare, mehr Konzentrationsfähigkeit oder starke Abwehrkräfte versprechen. Was ist davon zu halten?
Es empfiehlt sich, bei solchen Versprechen skeptisch zu bleiben. Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneien. Sie bedürfen keiner Zulassung, da sie unter das Lebensmittelgesetz fallen. Es ist auch kein Nachweis für ihre Wirksamkeit erforderlich. Das Coenzym Q10 zum Beispiel ist ein Bestseller unter den Präparaten. Es soll die Haut straffer, das Herz gesünder und die Nerven stärker machen. Einen Beleg dafür gibt es aber nicht - zudem kommt Q10 reichlich in der Nahrung vor, etwa in Geflügel, Soja, Pflanzenölen.
Nach wie vor ist ein abwechslungsreicher Speiseplan mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten der beste Weg, den Körper mit Vitaminen und Mineralien zu versorgen. Als Faustregel gilt: Mindestens drei Portionen Gemüse oder Salat sollten am Tag auf den Tisch kommen.
Bei welchen Personengruppen ist die Gefahr eines Nährstoffmangels besonders groß?
Bei Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel ist die Sache völlig klar. Sie sollten unbedingt Folsäure einnehmen. Sie senkt das Risiko, dass das Baby mit Spina bifida, dem offenen Rücken, zur Welt kommt.
Auch ältere Menschen sollten auf die Vitaminversorgung achten. Vitamin D zum Beispiel, das für gesunde Knochen wichtig ist, kann der Körper zwar selbst herstellen - aber nur unter Einfluss von Sonnenlicht. Wer nicht mehr so fit ist und sich selten im Freien aufhält, bildet daher möglicherweise zu wenig Vitamin D.
Zudem verspüren über 65-Jährige oft weniger Appetit als junge Menschen. Weniger Nahrung birgt aber die Gefahr, dass wichtige Nährstoffe wie Proteine, Mineralstoffe und Vitamine nicht mehr in genügender Menge aufgenommen werden, obwohl Senioren diese in gleicher Menge benötigen wie Jüngere.
Auch wer viel Sport treibt, braucht mehr Vitamine - vor allem bei den Vitaminen B1, B2 und B6 steigt der Bedarf. Allerdings können Sportler auch mehr essen und so Mängel vermeiden - Fisch, Milchprodukte oder Weizenkeime liefern auf natürlichem Weg genug B-Vitamine.
Prinzipiell ist es nicht ratsam, nur auf Verdacht Tabletten zu schlucken. Man sollte vom Arzt prüfen lassen, ob man tatsächlich an einem Mangel leidet. Wenn ja, sollte der Arzt entscheiden, ob man mit der Ernährung Abhilfe schaffen kann - oder ob die Einnahme eines Ergänzungsprodukts tatsächlich sinnvoll ist.
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