Stoppschild im Hafen

Europaparlament stoppt Liberalisierung im Rahmen von »Port Package III«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Niederlage für Privatisierungsanhänger in der EU: Während Kommission und Ministerrat Dienstleistungen in den meist staatlichen Häfen liberalisieren wollen, hat das Parlament nun anders entschieden.

Europas Häfen sollen wettbewerbsfähiger werden. Darauf hatten sich die EU-Verkehrsminister während ihres Luxemburger Ratstreffens vor anderthalb Jahren verständigt. Damals folgten die Regierungsvertreter zwar nicht ganz dem Liberalisierungsmantra des EU-Verkehrskommissars Siim Kallas, aber es verblieben genügend heikle Punkte.

So ist strittig, ob Häfen weiterhin selber entscheiden sollen, wie sie ihre Baggerdienste organisieren. Seehäfen wie in Bremen, Hamburg oder Rostock versanden, weil Strömung und Gezeiten Sande in die Hafenbecken spülen. Daher müssen Hafenbecken und Zufahrten für viel Geld ständig ausgebaggert werden. Nach dem Willen der Liberalisierer sollten solche Dienstleistungen ausgeschrieben und an private Firmen vergeben werden. In der Praxis hat sich die Vergabe an Dritte allerdings nicht unbedingt bewährt. Nach heftiger Kritik an der Versandung des Hamburger Hafens in diesem Winter überlegt der rot-grüne Senat der Hansestadt, wieder wie früher eigene Baggerschiffe zum Einsatz zu bringen.

Die EU-Kommission unternimmt nach zwei erfolglosen Versuchen in den Jahren 2001 und 2004 den dritten Anlauf, die europäische Hafenpolitik zu reformieren. »Port Package« eins und zwei wurden nach heftigen Protesten vor allem in Mittelmeerhäfen gestoppt. Dabei geht es auch um den Marktzugang für Betanker und Schlepperdienste. Auch in sicherheitsrelevanten Fragen wie der Vergabe von Lotsendiensten weichen die Auffassungen voneinander ab. Ergänzt wird das Hafenpaket »Port Package III«, dessen Entwurf von der EU-Kommission im Mai 2013 vorgelegt worden war, von einer Neufassung der Regeln für die öffentlichen Subventionen der Häfen.

In Europa sind die Hafenbetreiber oft teilstaatliche Betriebe wie die HHLA in Hamburg, aber auch private Unternehmen wie die Seehafen Rostock Umschlagsgesellschaft. Reedereien wie der dänische Weltmarktführer Maersk oder chinesische Logistikkonzerne betreiben ebenfalls Hafenanlagen in der EU. Betreiber finanzieren die »Suprastruktur«, beispielsweise Kräne, Lager- und Kühlhäuser. Bislang können die Regierungen jedoch selbst entscheiden, ob sie einen öffentlichen oder privaten Dienstleister beauftragen.

Da Grund und Boden in den Häfen üblicherweise in staatlichem Eigentum bleiben, ist der Staat für die Finanzierung der »Infrastruktur« zuständig. Bahn- und Straßenanschlüsse, Hafenbecken und Kais werden aus öffentlichen Haushalten bezahlt. Die Unterhaltungskosten werden nur teilweise durch Mieten der Betreiber und durch Hafengebühren wieder hereingeholt. Der Versuch Hamburgs - »Hafen finanziert Hafen« - endete mit dem Ende des Schifffahrtsbooms der 2000er Jahre. Seit der Finanzkrise lässt es sich die Stadt wieder hunderte Millionen Euro kosten, das »Tor zur Welt« offen zu halten.

Eine weitere »Zwangsliberalisierung« der Häfen hat am Montag das EU-Parlament in Brüssel gestoppt - dagegen stimmte der Verkehrsausschuss mit Zweidrittelmehrheit. »Der Liberalisierung der Hafendienste haben wir einen Riegel vorgeschoben«, begrüßt der Berichterstatter im Parlament, Knut Fleckenstein (SPD), das Ergebnis. »Wir haben die Ausrichtung des Kommissionsvorschlags grundlegend geändert«, betont der Hamburger Abgeordnete.

Die Europäische Transportarbeitergewerkschaft (ETF) spricht von einem »guten Schritt vorwärts«. Der liberale Marktzutritt sei gestoppt und das Streikrecht werde garantiert. Allerdings komme die soziale Absicherung zu kurz. »Prekäre Arbeitsverhältnisse, ein Tagelöhnerwesen und Automatisierung machen sich breit«, mahnt ETF-Vizepräsident Torben Seebold gegenüber »nd«. Die Beschäftigten bräuchten einen »Schutzschild«. Auch die deutsche Gewerkschaft ver.di will sich dafür einsetzen.

Dem klaren Votum des Europaparlaments werden sich die EU-Verkehrsminister kaum entziehen können. Der Termin für die anstehenden Kompromissverhandlungen von Parlament und Ministerrat ist noch offen.

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