Wie weit rechts kann man fahren?

Rechtspopulismus-Forscher sieht in Thüringen ein Labor der AfD und in der AfD eine reine Protestpartei für die rechte Szene

  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Häusler, die AfD sitzt schon in fünf Landesparlamenten und hat gute Chancen, in den nächsten Monaten in weitere einzuziehen. Es scheint, als habe sich die Partei inzwischen fest in der deutschen Parteienlandschaft etabliert, oder?

Diesen Eindruck könnte man derzeit gewinnen, ja. Aber ob sich die Partei auch wirklich langfristig im politischen System Deutschlands wird behaupten können, muss man abwarten. Ich sehe durchaus die Möglichkeit, dass sich die Partei überhitzt und über sich selbst stürzt. Im rechten Milieu gibt es nicht zufällig eine intensive Debatte darüber, ob zum Beispiel Björn Höcke mit seinem Rechtskurs der AfD mehr schadet als nutzt. Der Chefredakteur der »Jungen Freiheit«, die so etwas wie die inoffizielle Parteizeitung der AfD ist, hat Höcke zum Beispiel in der Vergangenheit als einen Geisterfahrer beschrieben.

Was meinen Sie mit »überhitzt«?

Die AfD hat sich von einer Anti-Europartei zu einer Anti-Zuwanderungspartei gewandelt. Dabei hat sich der Rechtsaußen-Flügel der Partei, zu dem auch Höcke gehört, immer mehr durchgesetzt. Und auch jetzt scheint es, als werde dieser Flügel seinen Durchmarsch fortsetzen. Die Parolen aus der Partei sind bei diesem Prozess immer schriller geworden. Dadurch könnte die AfD ihre politische Anschlussfähigkeit verlieren und sich damit für mehr und mehr Menschen nicht-wählbar machen. Eine ähnliche Entwicklung gab es schon mal: in der Mitte der 1990er Jahre mit dem Bund freier Bürger. Das war eine Professorenpartei, deren Protagonisten gegen die weitere EU-Integration vor das Bundesverfassungsgericht zogen. Als sie dort scheiterten, radikalisierte sich die Partei. Sie trug später den Beinamen »Offensive für Deutschland«. Durch diese Radikalisierung rutschte die Partei dann schließlich in die Bedeutungslosigkeit ab. Möglicherweise läuft das auch mit der AfD so.

Die Umfragewerte der AfD und die immer schriller, aber auch immer selbstbewusster werdenden Auftritte Höckes deuten doch aber in eine andere Richtung.

Richtig ist, dass die AfD heute ein größeres politisches Gewicht hat, als der Bund freier Bürger es jemals hatte. Das hat auch damit zu tun, dass das Flüchtlingsthema in der gesamten Gesellschaft eine so große Rolle spielt. Und gerade in den neuen Bundesländern hat die Partei Potenzial, sich zu verankern. Thüringen ist für die AfD dabei auch so etwas wie ein Labor, in dem getestet wird, wie weit rechts man fahren kann. Aber trotzdem: Die AfD ist bisher auch in der Flüchtlingsfrage den Beweis schuldig geblieben, dass sie realpolitische Lösungskonzepte hat. Sie ist im Moment eine reine Protestpartei für das rechte Milieu. Sie ist ein Ventil für aufgestaute Unzufriedenheit, wenn Sie so wollen. Ob so eine Partei dauerhaft im parlamentarischen System Deutschlands Bestand haben wird, muss man sehen.

In anderen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien schon lange etabliert. Warum bisher in Deutschland nicht?

Wie gesagt, es hat immer wieder Versuche von deutschen Rechtspopulisten gegeben, sich zu etablieren: Der Bund freier Bürger, die Republikaner, die Schill-Partei. All diese Parteien sind letztlich auch daran gescheitert, dass ihr Spitzenpersonal sich in Skandalen verstrickt hat.

Bei der AfD wird immer wieder auch darüber gestritten, ob sie eine rechtspopulistische oder eine rechtsextreme Partei ist. Gerade in Thüringen wird die Partei inzwischen als »AfNPD« häufig mit Rechtsextremen gleichgesetzt. Gibt es sinnvoll benennbare Unterschiede zwischen rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien?

Das hängt natürlich davon ab, was man als rechtsextrem und rechtspopulistisch definiert. Nach dem etablierten Verständnis beider Begriffe in der Wissenschaft gibt es da aber durchaus Unterschiede, so wie es natürlich auch Berührungspunkte zwischen rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien gibt. Ein wichtiger Unterschied ist zum Beispiel, dass Rechtsextreme den Nationalsozialismus als historische Episode offen verherrlichen, während Rechtspopulisten ihn zumindest öffentlich verdammen. Außerdem lehnen Rechtsextreme jede Form von Demokratie offen ab, während Rechtspopulisten sich aus taktischen Überlegungen für die direkte Demokratie einsetzen. Aus meiner Sicht ist die AfD deshalb vor allem eine rechtspopulistische Partei.

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