Dicke Luft am Flensburger Luftschloss
Stadt will alternatives Wohnprojekt räumen
Ein alternatives Wohn- und Kulturprojekt in Flensburg namens Luftschlossfabrik (LSF) steht unmittelbar vor dem Aus. Die Stadt in Schleswig-Holstein hat für das seit über zwei Jahren besetzte Gelände am Harniskai einen Räumungstitel erwirkt, den sie nun scheinbar so schnell wie möglich umsetzen möchte. Die Proteste dagegen erfahren inzwischen eine Solidarität weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Ursprünglich wollte die Firma Highspeed Ltd auf dem städtischen Areal Luftboote bauen, doch das gesamte Vorhaben entpuppte sich als unternehmerische Luftnummer. Die Industriefläche lag fortan brach und verwahrloste zunehmend, von weiteren Nutzungskonzepten keine Spur. Nach und nach fanden dort Aussteiger und alternative Aktivisten - durch die Pächterin Highspeed Ltd geduldet - ein Zuhause, es kehrte wieder Leben ein. Einige der »Besetzer« haben sich mit Hauptwohnsitz dort melderechtlich registrieren lassen, sie zahlten auch Gebühren für Strom und Wasser. Zudem wurde in Eigenregie viel renoviert und instand gesetzt. So entstanden beispielsweise neue Übungsräume für Bands, die danach händeringend suchten.
Das Gelände nahe der Werft und eines Klärwerks ist baurechtlich Hafenentwicklungsgebiet und für eine Wohnbebauung nicht geeignet. Die Stadt konnte für das eher unattraktive Areal auch keinen Investor gewinnen. Die Eile, nun einen Räumungstitel zu erwirken, überraschte deshalb sehr. Eine letzte Frist bis zum 31. Januar ließen die Aktivisten verstreichen.
Inzwischen aber haben die Bewohner selbst die LSF-Fläche geräumt, Hab und Gut zusammengetragen und Bauwagen entfernt. Der Schritt soll auch ein deeskalierendes Zeichen sein: Das LSF-Projekt hat einen Verein »Libertäres Kulturkollektiv Luftschlossfabrik« gegründet und möchte mit der Stadt einen Zwischennutzungsvertrag aushandeln. Doch seitens der Stadt wird offenbar weiterhin eine harte Linie beabsichtigt.
»Wir sind für Verhandlungen und Lösungen bereit, wollen uns gemeinsam an einen Tisch setzen«, sagt LSF-Sprecherin Sarah Leichnitz. Damit findet sie auch Unterstützung bei der LINKEN-Fraktion im Flensburger Rathaus, die den nun verfolgten repressiven Kurs von Oberbürgermeister Simon Faber (Südschleswigscher Wählerverband) ablehnt. Auf Antrag der Grünen-Fraktion im Rathaus wird am Dienstag das Thema noch einmal Gegenstand in einer Sitzung des städtischen Hauptausschusses. Die Zusammenkunft der Kommunalpolitiker soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Auch dagegen wandte sich die LSF-Protestdemonstration am Montag in der Flensburger Innenstadt.
Die Stimmung ist derweil explosiv, denn es sind an den LSF-Eingängen Barrikaden errichtet worden - nicht durch die bisherigen Bewohner, die verhandlungsbereit sind, aber durch angereiste Unterstützer. Zum Teil wurden Gräben ausgehoben und Sandhügel errichtet. Die bisherigen LSF-Bewohner und -Nutzer werben natürlich um Solidarität, haben sich aber entschieden von jeglicher Gewalt distanziert. Sie setzen für den Fall, dass die Stadtspitze stur bleiben sollte, auch auf juristischen Beistand. Der beauftragte Hamburger Anwalt Hendrik Schulze hat die Verantwortlichen darauf hingewiesen, dass eine etwaige Räumung nach über zweijähriger Duldung der Verhältnisse durch die Stadt rechtswidrig sei.
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