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»Wir haben den Anschluss verloren«

Wie die beiden Nordklubs Werder Bremen und Hamburger SV wieder den Weg nach Europa finden wollen

  • Frank Hellmann, Düsseldorf
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Freitag tritt Bremen in Gladbach an - Werder ist Außenseiter. Der HSV ist im Heimspiel gegen Köln kein Favorit. Beide Nordklubs haben viel verloren - sportlich und finanziell. Sie wollen wieder aufholen.

Zum Einstieg erschien in ihrem Rücken ein anrührendes Feierfoto aus glücklichen Tagen: Marco Bode und Dietmar Beiersdorfer mit ihren ehemaligen Mitspielern Klaus Allofs und Manfred Bockenfeld in einer engen Kabine mit eigenartiger Holzvertäfelung. Der Zustand der Herrschaften, die auf dem Schnappschuss Sieger-T-Shirts und Langhaarfrisuren mitsamt Schnauzbärten trugen, ließ darauf schließen, dass ihr damaliger Verein irgendetwas gewonnen haben muss. Bode, mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender beim SV Werder, und Beiersdorfer, inzwischen Vorstandsvorsitzender beim Hamburger SV, konnten sich nicht im Detail erinnern. »Muss in Stuttgart gewesen sein, oder?«, fragte der eine. »War aber eine hässlich Kabine!«, sagte der andere. Dann schmunzelten beide, ehe die einstigen Profis auf der Sportbusinessmesse Spobis, die in den vergangen Tagen auf der Hauptbühne im Düsseldorfer Kongresszentrum stattfand, über Zustand und Zukunft der beiden Nordvereine debattierten.

Von einem Gewinn der Meisterschaft, wie ihn Bode, 46, und Beiersdorfer, 52, einst als Aktive bei Werder 1993 errangen, sind ihre Klubs aktuell mal wieder weiter entfernt als die Erde vom Mond. Aber ist das eigentlich eine Überraschung? Werder habe den Knick nicht verkraftet, als die Champions-League-Einnahmen ausblieben. »Vor fünf, sechs Jahren haben wir bei den Transfers nicht selten danebengelegen. Wir haben ein Stück weit unsere alte Stärke verloren«, räumte Bode in der Retrospektive ein. Auch Beiersdorfer gab in der Rückschau zu, dass »hohe Personalfluktuation bei Trainer, Manager und Vorstand und Investitionen in Spieler« die Bilanzen verhagelt hätten, »obwohl wir kein Ertragsproblem haben«.

Hier wie dort übersteigen die Ausgaben regelmäßig die Einnahmen, wie eine Grafik mit roten Balken zeigte: Die bis 2009 als sportlicher Trendsetter hinter den Bayern geltenden Grün-Weißen aus Bremen haben in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt 4,8 Millionen Euro Minus gemacht. Bei den 2009 noch stolz als zwölftumsatzstärkster Klub Europas geführten Rothosen aus Hamburg kam sogar ein Fehlbetrag von 8,6 Millionen Euro pro Saison heraus. »Wir haben den Anschluss verloren, wenn die Bayern heute das Sechsfache an Umsatz machen und wohl auch das Sechsfache für den Kader ausgeben«, beschrieb Bode.

Beide Klubs wollen nun ihre »Wettbewerbsfähigkeit Stück für Stück zurückholen« (Beiersdorfer) und dann sogar »zurück nach Europa« (Bode). Letzterer sagte dazu einen schönen Satz, der an der Weser genauso gilt wie an der Elbe: »Nur mit dem Minimalziel, in der Bundesliga zu bleiben, werden wir keine lachenden Gesichter erzeugen.« Die Wege aus der Sinnkrise sind zwar unterschiedlich, aber nicht unähnlich.

Beide Ex-Nationalspieler setzen darauf, dass ein Verein so verrückt ist, jene 20 Millionen Euro aufzurufen, mit denen vergangene Woche offenbar der chinesische Meister Guangzhou Evergrande Bremens Torjäger Anthony Ujah kaufen wollte. Bode dementierte die Summe nicht, nur war in diesem Winter der Verkauf eines solch wichtigen Spielers ausgeschlossen. Im Sommer hingegen vielleicht nicht mehr. Beiersdorfer hofft dann darauf, »einen guten Schluck englischen Weines« nehmen zu können. Muss sich nur ein Premier-League-Vertreter finden lassen, der die Kategorie Diekmeier, Djourou, Gregoritsch oder Lasogga als edle Tropfen ansieht.

Was bleibt sonst für den Turnaround der Traditionsklubs? Beide können sich vorstellen, dass ihnen ein Wegfall der »50+1«-Regel hilft. Bode: »Es sind längst nicht mehr alle nach den gleichen Regeln unterwegs - und das beeinflusst den Wettbewerb.« Doch zur Veräußerung von Anteilen oder den Namensrechten des Weserstadions vertrat der Kontrolleur der Werder Bremen GmbH & Co KGaA seine typische »Sowohl-als-auch«-Haltung. Der Boss der HSV AG ging notgedrungen bereits weiter, fand aber die 25 Millionen Euro, die man vom Investor und »emotionalen HSVer« Klaus-Michael Kühne für 9,75 Prozent der Anteile bekam, vollkommen in Ordnung.

Noch besser wäre es, würde die Deutsche Fußball Liga künftig andere Parameter als den sportlichen Erfolg in die Verteilungskriterien beim Fernsehgeld schreiben. Bode schlug konkret vor, eine Hälfte paritätisch zu verteilen, beim Rest unbedingt auch die TV-Attraktivität zu berücksichtigen. Beiersdorfer behauptete: »Wir sind in der Zuschauergunst bei Sky, ARD und ZDF die Nummer drei.« Ist ja auch spannend, wie der Dino Jahr für Jahr gegen den Absturz ankämpft!

Gleichwohl birgt das Horrorszenario existenzgefährdende Züge. »Es kann einen zerlegen«, so Beiersdorfer. Deshalb sollte »über ein Auffangjahr für Absteiger« nachgedacht werden, ansonsten könne aber die zweite Liga von den prozentualen Zuwächsen der TV-Vermarktung abgekoppelt werden. »Das finde ich okay.« Hier intervenierte der alte Kumpel Bode. »Ich finde den Solidaritätsgedanken sehr gut, weil es wichtig ist, die Durchlässigkeit zu gewährleisten.« Könnte ja passieren, dass es einen dann doch selbst mal erwischt. Und im »Auffangjahr« nicht gleich die Aufstiegsfeier glückt.

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