Kommunist Petrowski wird zum heiligen Petrus

In der Ukraine läuft die Umbenennung von Städte- und Champagnernamen als Dekommunisierung auf Hochtouren

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Gesetz zur Dekommunisierung müssen in der Ukraine zahlreiche Statuen weichen und Städte umbenannt werden.

Die 102 Meter hohe Mutter-Heimat-Statue in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist eines der wichtigsten Symbole, die an den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erinnern. Nun ist das legendäre Denkmal den neuen Gesetzen zur Dekommunisierung, der Abschaffung kommunistischer Namen und Symbole, zum Opfer gefallen. Anders als rund 800 Leninstatuen, die bereits Anfang 2016 abgerissen wurden, wird die Mutter-Heimat-Statue erst einmal stehen bleiben. Doch das Wappen der Sowjetunion wird aus dem Schild, den die Mutter Heimat trägt, entfernt. »Das ist eine gemeinsame Entscheidung der Experten«, erklärt Wolodymyr Wjatrowitsch, Direktor des Instituts des Nationalgedenkens.

Die Dekommunisierung ist in der Ukraine ein zentrales politisches Thema im Jahr 2016. Das Verbot der Nutzung der kommunistischen Symbolik ändert zwar nichts am Zustand des Landes, das nach wie vor unter einer schweren Krise leidet. Die Diskussionen, die wegen der Umbenennung der vielen Orte geführt werden, sind aber teils angespannter als manch andere politische Debatte.

Bis zum 21. Februar muss das ukrainische Parlament über die neuen Namen der Orte entscheiden, die umbenannt werden müssen. Das betrifft insgesamt 28 Städte. Auf dieser Liste befinden sich unter anderem Dnipropetrowsk, die viertgrößte Stadt der Ukraine, und Kirowohrad, ein weiteres großes Gebietszentrum.

Dnipropetrowsk wurde nach Grigori Petrowski benannt, der bis 1938 Vorsitzender des Zentralen Exekutivkomitees der sowjetischen Ukraine war. Heute wird er vor allem beschuldigt, Initiator des »Holodomor«, der schweren Hungernot 1932/33, gewesen zu sein. Allerdings wird der Name Dnipropetrowsk seit Langem nicht mehr mit Petrowski in Verbindung gebracht.

Deshalb will Borys Filatow, der neue Bürgermeister, dass der alte Name bleibt - aber mit neuer Begründung. Dnipropetrowsk soll nicht mehr auf Grigori Petrowski verweisen, sondern auf den heiligen Petrus. Es ist allerdings fraglich, ob das ukrainische Parlament dem folgt. »Die Werchowna Rada muss nicht unbedingt so entscheiden, wie wir das wollen«, sagt Wadim Schebanow, erster Stellvertreter des Bürgermeisters. Andere Möglichkeiten wären Dnipro, Dniprowsk und Sitscheslaw.

Ein Kampf wird vor allem in Kirowohrad geführt, das historisch Jelisawetgrad hieß - und in sowjetischen Zeiten nach dem russischen Revolutionär Sergej Kirow umbenannt wurde. Nun soll die Stadt Ingulsk heißen - ein Name, der niemandem richtig gefällt, nicht einmal den Befürwortern der Umbenennung. Viele würden gerne zu Jelisawetgrad zurückkehren. Das ist jedoch wegen des Bezugs zum Russischen Reich unwahrscheinlich. Nun ist sogar von einem Referendum die Rede, das für eine Lösung sorgen soll.

Einen guten Ausweg hat die Schaumweinfabrik von Kiew offenbar schon gefunden. Sowjetskoje Schampanskoje heißt nun Sowjetowskoje Schampanskoje. Auch die ukrainische Version der Zeitung »Komsomolskaja Prawda« musste einen Trick finden. Die Zeitung wurde einfach in »KP in der Ukraine« umbenannt - angeblich reicht das, um das Fortbestehen zu sichern. Weitere Kuriositäten sollen folgen.

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