Erdogan: USA müssen zwischen Türkei und Kurden wählen
Türkische Staatschef kritisiert Besuch von US-Delegation in der durch kurdische Kämpfer befreiten Stadt Kobane / Merkel zu Gesprächen mit Ankara über Flüchtlingsfrage gereist / Türkische Gemeinde: Kanzlerin muss Kurdenfrage bei Treffen ansprechen
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat die USA aufgefordert, sich zu entscheiden, ob Washington auf der Seite Ankaras oder der Kurden stehe. Erdogan reagierte mit seiner harschen Worten auf einen Besuch des US-Sondergesandten Brett McGurk in Kobane. Die syrische Grenzstadt war vor etwa einem Jahr von den Volksverteidigungseinheiten (YPG) der kurdischen Partei PYD aus der Kontrolle durch den IS befreit worden.
Da die Regierung die PYD allerdings wegen ihrer Verbindungen zur in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei PKK als terroristische Organisation einstuft, betrachtet Ankara den Besuch der US-Delegation als Provokation. »Wie können wir euch trauen?«, fragte Erdogan die US-Regierung. »Bin ich euer Partner oder sind es die Terroristen in Kobane?«
In den US-Regierung reagierte zurückhaltend auf die Kritik. Man würde die PKK weiterhin als Terrororganisation einstufen, daran ändere auch der Besuch in Kobane nichts. Ein neu aufgelegter politischer Prozess würde allerdings allen Bürgern in der Türkei Sicherheit, volle Bürgerrechte und Wohlstand sichern, teilte ein Sprecher des US-Präsidenten mit.
Unterdessen steht für Montag der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Türkei an. Dabei soll es vor allem um die Begrenzung der Flüchtlingszahlen Richtung Westeuropa im Fokus stehen. Bei Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan und Regierungschef Ahmet Davutoglu in Ankara soll es darum gehen, welchen Beitrag die Türkei dazu leisten kann und welche Hilfe sie dafür benötigt.
Hintergrund ist ein Ende vorigen Jahres vereinbarter EU-Türkei-Aktionsplan. Die Europäische Union hatte Ankara damals drei Milliarden Euro zugesagt. Im Gegenzug soll die Türkei ihre Grenze zur EU besser schützen. Ankara hat jedoch deutlich gemacht, dass das Geld nicht ausreichen werde. In der EU werden die bisherigen Anstrengungen der Türkei jedoch als nicht ausreichend angesehen.
Kurz vor dem Merkel-Besuch reagierte die Türkei auf den Vorwurf unzureichender Grenzkontrollen, indem sie am Wochenende Irakern die Einreise erschwerte. An der syrisch-türkischen Grenze warteten derweil weiter Zigtausende vergeblich auf Einlass.
Grünen-Chef Cem Özdemir betonte, eine Entlastung in der Flüchtlingskrise werde sich für Deutschland nur ergeben, »wenn sich die Situation für die Flüchtlinge in der Türkei spürbar verbessert«. Vor allem müsse die Schleuserökonomie wirksam bekämpft werden, sagte er »Passauer Neuen Presse«. Griechenland und die Türkei müssten dabei zusammenarbeiten.
Zugleich aber dürfe Merkel die Augen nicht vor »den Missständen in der Türkei« verschließen, sagte Özdemir. »Ich erwarte, dass sie Eskalation und Repression in den türkischen Kurdengebieten deutlich anspricht und kritisiert.«
Die Türkische Gemeinde in Deutschland rief Merkel ebenfalls auf, bei ihrem Treffen auch die Verletzung von Menschenrechten in der Türkei anzusprechen. »Merkel und die EU dürfen es der Türkei nicht durchgehen lassen, dass dort viele Menschenrechte, insbesondere die der Kurden, und die Pressefreiheit mit Füßen getreten werden«, sagte ihr Vorsitzender Gökay Sofuoglu der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Auch wenn die Türkei die Flüchtlingsfrage als Trumpf nutze, müsse Merkel Missstände in der Türkei ansprechen.
Nach dem Vormarsch der syrischen Regierungstruppen im Norden des Landes wird die Lage von Zehntausenden Flüchtlingen an der Grenze zur Türkei bei Wintertemperaturen immer schwieriger. Die Situation der Menschen sei verzweifelt, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Montag.
Laut Schätzungen seien fast 80.000 Syrer auf der Flucht in Richtung der syrischen Stadt Asas und des türkischen Grenzübergangs bei Kilis. Dort warteten bereits rund 10.000 Menschen. In den vergangenen Tagen hatte es nach unterschiedlichen Angaben geheißen, in der Nähe von Asas harrten zwischen 30.000 und 50.000 Menschen aus.
Die Türkei versorgt die Flüchtlinge nach eigenen Angaben mit Hilfsgütern und will auf syrischer Seite Lager aufbauen, verweigert ihnen aber bisher den Grenzübertritt. Es mangele an Unterkünften, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, sagte die Leiterin der Syrien-Mission von MSF, Muskilda Zancada.
Die syrische Armee und ihre Verbündeten waren in der vergangenen Woche mit Hilfe russischer Luftunterstützung in der Region vorgerückt und hatten die neue Massenflucht ausgelöst. Die Regierungsanhänger wollen die von Rebellen beherrschten Teile der Stadt Aleppo von der Außenwelt abschneiden. Aktivisten warnen, dann drohe in der nordsyrischen Metropole eine neue humanitäre Katastrophe. Agenturen/nd
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