Gegen den eigenen Komplex spielen

Nach einem Vierteljahrhundert könnte Hertha BSC wieder das Pokal-Halbfinale erreichen. Möglich macht’s ein Investor

Die positive sportliche Entwicklung von Hertha BSC kann am Mittwoch einen neuen Höhepunkt erreichen. Geholfen hat dabei ein Investor. Manch Sponsor hingegen nervt.

Zum guten Ton eines jeden Trainers von Hertha BSC gehört es, dass Erreichen des Pokalfinals – mal mehr, mal weniger konkret – als Saisonziel auszurufen. Dieser Wettbewerb ist zum Komplex des Berliner Bundesligisten geworden, mitschuldig ist der Deutsche Fußball-Bund. Es begann 1985 mit der Verlegung des DFB-Pokalfinals ins Olympiastadion. In den zehn Jahren davor war Hertha BSC durchaus eine so genannte Pokalmannschaft, erreichte drei Mal das Viertelfinale, zwei Mal das Halbfinale und stand sogar zwei Mal im Endspiel. Nach 1985 war spätestens im Viertelfinale Schluss – nur vier Mal spielten sich die Berliner Profis wieder unter die besten acht Mannschaften. In der Regel schied der Klub in der ersten oder zweiten Runde aus, und das meist gegen unterklassige Gegner.

Als Pal Dardai im Sommer in seine erste komplette Saison als Hertha-Trainer ging, sprach auch er vom großen Ziel Pokalfinale. Am vergangenen Montag wiederholte er sich: »Es ist ein Traum, im Endspiel dabei zu sein.« Die Chance darauf ist groß wie lange nicht. Am Mittwoch tritt Hertha BSC im Viertelfinale beim Zweitligisten 1. FC Heidenheim an. Ein Sieg – und die erste Halbfinalteilnahme seit einem Vierteljahrhundert wäre geschafft. Und dass auch der Traum vom ersten Endspiel im Wohnzimmer Olympiastadion nicht so unrealistisch ist, bewiesen die Berliner am vergangenen Sonnabend mit dem Punktgewinn gegen Borussia Dortmund.

Zufall ist diese Entwicklung nicht. Nicht im DFB-Pokal: Zwar hatte Hertha in dieser Saison bislang nur Zweitligisten als Gegner, war in früheren Jahren aber schon gegen Dritt- und Viertligisten ausgeschieden. Und auch der dritte Tabellenplatz in der 1. Bundesliga kommt nicht von ungefähr. Großen Anteil daran hat Pal Dardai. Von den meisten unterschätzt, überzeugt der Ungar seit einem Jahr an der Seitenlinie. In der schwierigen Vorsaison rettete er Hertha BSC am letzten Spieltag vor dem dritten Abstieg in sechs Jahren. Seitdem beweist er, dass er auch einzelne Spieler und eine ganze Mannschaft weiterentwickeln kann.

Ingo Schiller geht bei der Ursachensuche für den sportlichen Erfolg noch ein weiteres Jahr zurück. Am 31. Januar 2014 stieg die Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co., kurz KKR, als Investor mit 61,2 Millionen Euro bei dem Fußballklub ein. KKR erhielt dafür 9,7 Prozent der Aktien an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA, der ausgegliederten Profiabteilung des Vereins. »Ich behaupte, dass unsere Entwicklung ohne diese Partnerschaft nicht so verlaufen wäre«, sagte Ingo Schiller in der vergangenen Woche in Düsseldorf. Dort sprach er als Geschäftsführer Finanzen auf der Sportbusinessmesse für Hertha BSC.

Was Schiller vor zwei Jahren »wirtschaftliche Beinfreiheit« nannte, liest sich nach dem Abschlussbericht der vergangenen Saison so: Statt 42 Millionen Euro an Schulden stehen nun nur noch 16 auf dem Papier. Wichtiger noch ist folgende Kennzahl: Vor dem Einstig von KKR gab Hertha BSC ein Eigenkapital von minus acht Millionen Euro an. Jetzt kann der Klub mit 23 Millionen Euro wirtschaften. Und schnell ist die Brücke zum sportlichen Erfolg geschlagen. Die jüngste Vertragsverlängerung von John Anthony Brooks wäre ohne die »wirtschaftliche Beinfreiheit« wohl nur sehr schwer zu realisieren gewesen. Und auch von anderen Klubs ebenso umworbene Spieler wie Mitchell Weiser oder Vladimir Darida hätten im vergangenen Sommer wahrscheinlich nicht den Weg nach Berlin gefunden.

In der Bundesliga ist es mittlerweile eine Mehrheitsmeinung, dass es ohne Investoren oder strategische Partner nicht mehr geht. Die verzweifelte Suche nach Sponsorengeld treibt manchmal absurde Blüten. Auch in Berlin: Dass Apotheken verletzten Spielern über Stadionlautsprecher und Anzeigetafel »gute Besserung« wünschen, die Zuschauerzahl von einer Bank oder die Nachspielzeit von einer Uhrenfirma präsentiert werden, daran hat man sich im Olympiastadion schon fast gewöhnt. Sehr fragwürdig dagegen ist die Pausenunterhaltung. Weil der neue Hauptsponsor ein Wettanbieter ist, werden jetzt nicht mehr nur einfach die Halbzeitergebnisse der anderen Spiele angesagt. Nein, die Stadionsprecher »analysieren« die Zwischenstände anhand der Wettquoten auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage.

Sollte Hertha BSC tatsächlich das Pokalfinale erreichen, wird es zumindest etwas gemütlicher im Wohnzimmer des Klubs. Denn dann ist der DFB Herr im Hause Olympiastadion: Werbung gibt’s dann natürlich auch, bloß nicht ganz so aufdringlich – und zudem festlich gülden verpackt.

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