Kein Licht im Krisen-Tunnel

Bosnien-Herzogowina will offiziell seine EU-Mitgliedschaft beantragen

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundesstaat Bosnien und Herzogowina will kommende Woche den offiziellen Antrag auf EU-Beitritt stellen. Doch es kriselt auf allen Ebenen.

Selbst die Zweifel der heimischen Öffentlichkeit können den derzeit höchsten Vertreter im Staatslabyrinth nicht beeindrucken. Am 15.Februar werde er in Brüssel den Antrag auf EU-Mitgliedschaft einreichen, bekräftigt Dragan Covic, der amtierende Vorsitzende des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina: »Wenn wir weiter mit dieser Dynamik arbeiten, werden wir wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres den Kandidaten-Status erhalten.«

Das Land sei »zurück auf der Reformspur«, hatte die EU-Kommission bei der Vorstellung ihres letzten Fortschrittsberichts über die Beitritts-Anwärter im November hoffnungsvoll verkündet. Tatsächlich hatten alle politisch relevanten Kräfte und Institutionen des Vielvölkerstaats auf Druck Brüssels vor Jahresfrist die Selbstverpflichtung für eine »Reform-Agenda« unterzeichnet.

Deren Umsetzung sollte die Annäherung an die EU beschleunigen. Im Gegenzug für die mühsame Demonstration des guten Willens setzte die EU im Juli letzten Jahres schließlich das bereits 2008 unterzeichnete, aber wegen ausgebliebener Verfassungsreformen auf Eis gelegte Assoziierungsabkommen in Kraft.

Papier erweist sich auf dem Balkan immer als sehr geduldig. Doch trotz scheinbarer Fortschritte scheint das Ende von Bosniens Dauerbaustelle nicht einmal in ferner Sicht. Der von Sarajevo angekündigte Beitrittsantrag ist eher durch die Notwendigkeit vermeintlicher Erfolgsnachrichten angesichts bevorstehender Kommunalwahlen als durch tatsächliche Fortschritte motiviert. Denn selbst für gutwillige Beobachter ist ein Licht im endlosen bosnischen Krisentunnel nicht auszumachen. Im Gegenteil: In dem verschachtelten Staatslabyrinth kriselt und kracht es auf allen Ebenen.

Die Aussicht auf zusätzliche Mittel aus der Brüsseler Subventionsschatulle ließ Bosniens geschäftstüchtige Amtsträger im letzten Jahr zwar hektisch einige neue Arbeitsgesetze im Schnellverfahren durch das nationale und die Teilstaat-Parlamente peitschen.

Doch laut einer Erhebung des Zentrums der zivilen Initiativen (CCI) sind selbst auf dem Papier gerade einmal ein Fünftel der in der Reform-Agenda und diversen Aktionsplänen zugesicherten Maßnahmen umgesetzt: Über 72 Prozent der gelobten Vorhaben sei noch nicht einmal beraten worden.

Vor zwei Jahren schien eine kurze, aber heftige Protestwelle das gebeutelte Land in seinen Grundfesten zu erschüttern. Doch trotz des Abtritts mehrerer Provinzfürsten in den Kantonen und eines Regierungswechsels in Sarajevo hat sich an Bosniens tristen Zustand nichts geändert. Die Arbeitslosenrate liegt weiter bei über 27 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit gar bei 62 Prozent. Nur mit rasant steigender Verschuldung vermag das Land den Wasserkopf seiner aufgeblähten Verwaltung noch zu tragen.

Zu den von der Politik bewusst geschürten Dauerspannungen zwischen muslimischen Bosniaken, Kroaten und Serben gesellen sich zu allem Übel auch in den Teilstaaten vermehrte Probleme. In der Republika Srpska bekriegen sich der lange unangefochtene Teilstaatspräsident Milorad Dodik und die auf nationaler Ebene an der Regierung beteiligte Opposition seit Monaten bis aufs Messer.

Im muslimisch-kroatischen Teilstaat der Föderation hat die jüngste Verhaftung des Medien-Tycoons Fahrudin Radoncic, dem Chef der mitregierenden SBB, wegen des Verdachts der Justizbehinderung die Koalition unter Druck gesetzt.

Sowohl auf Teilstaat- als auch auf nationaler Ebene drohen die bisherigen Regierungsbündnisse zu platzen. Statt der Beschleunigung der EU-Annäherung drohen dem gebeutelten Balkan-Staat nur neue Hürden beim erhofften Weg aus der Dauerkrise.

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