Steinmeiers Appelle

Der deutsche Außenminister müht sich um Ausgleich und Zusammenhalt

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab es viele scharfe Töne. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier war um Beschwichtigung bemüht.

Für einen UN-Flüchtlingskommissar gehört es zum Stellenprofil: das Prinzip Hoffnung. Derzeit hat der Italiener Filippo Grandi das Amt inne und er bemühte die Formel am Sonntag bei der 52. Münchner Sicherheitskonferenz. Grandi hofft auf ein möglichst rasches Ende des Syrien-Kriegs. Solange dort kein Frieden herrsche, seien alle anderen Maßnahmen im Kampf gegen die Flüchtlingskrise unzureichend, sagte Grandi.

Seine Hoffnung wurde durch viel Skepsis überlagert. Der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam berichtete auf der Konferenz, sein Land habe bei ursprünglich vier Millionen Einwohnern inzwischen 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Er betonte deshalb: »Wir sind am Limit.«

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach nicht von Limits, Grenzen oder Obergrenzen, sondern von der Notwendigkeit entschlossenen politischen Handelns zur Konfliktlösung: Der Flüchtlingsandrang zeige, dass die Konflikte »buchstäblich hier bei uns zu Hause angekommen« seien, sagte Steinmeier am Samstag in München. Die Europäische Union rief der Minister eindringlich zum Zusammenhalt auf.

Angesichts der Flüchtlingskrise sei »die Frage nach internationaler Verantwortung für uns Deutsche eben überhaupt nicht mehr abstrakt, sondern ganz konkret und unmittelbar«, so Steinmeier. Die Krise dürfe aber »keine Ausrede« für Abschottung sein, sagte er. Sie müsse im Gegenteil »Anstoß sein, dass wir uns noch entschiedener international engagieren«.

Skepsis gibt es nicht nur in Hinsicht auf eine Bewältigung der Flüchtlingskrise, sondern auch in Bezug auf die Einigung der Syrien-Kontaktgruppe aus 17 Staaten und drei internationalen Organisationen: Die hatte sich in der Nacht zum Freitag in München auf ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien binnen einer Woche geeinigt. Der republikanische US-Senator John McCain konnte dem nichts Positives abgewinnen. »Das Abkommen wird scheitern, es werden mehr Menschen sterben, der Einfluss des Westens in der Region wird sinken«, sagte McCain am Sonntag auf der Sicherheitskonferenz. Er teile nicht die Zuversicht über die Einigung für eine Feuerpause in Syrien. »Putin will sein Land zu einer neuen Macht machen und einen Keil in die atlantische Gemeinschaft treiben.«

McCain kritisierte wie der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, dass der Westen dem russischen militärischen Eingreifen in Syrien nichts entgegensetze. »Putin will Flüchtlinge als politische Waffe einsetzen und den Westen spalten. Diplomatie wird zum Hilfsmittel für militärische Aggression«, sagte der Vorsitzende des Militärausschusses im US-Senat mit Hinweis auf die russischen Bombenangriffe in Syrien. »Während wir hier sitzen, verschärft sich die Lage in Aleppo.« Das Gleiche habe man in der Ukraine erlebt, so McCain.

Tags zuvor hatte Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew für erheblichen Wirbel gesorgt. Der Gast aus Moskau bezeichnete die Beziehungen seines Landes und des Westens am Samstag als »neuen Kalten Krieg«. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite warf Russland einen »heißen Krieg« vor. Es gebe »offene russische Aggressionen« in der Ukraine und in Syrien. »Das ist alles andere als kalt, das ist jetzt schon heiß«, sagte Grybauskaite. Polens Staatschef Andrzej Duda bekräftigte die Forderung nach stärkerer NATO-Präsenz in Osteuropa. »Unsere Sicherheit ist jetzt der wichtigste Punkt«, sagte er.

Um verbale Entspannung bemühte sich Steinmeier: »Wir sind bestimmt nicht in einem Kalten Krieg.« Er habe Medwedew auch »nicht so verstanden«. Dieser habe nach seiner Ansicht dazu aufgerufen, eine Situation zu »vermeiden, die uns in den Kalten Krieg führt«, sagte Steinmeier. Er rief zugleich zu einem »realistischen Blick auf die Welt« auf.

Steinmeier traf sich am Rande der Konferenz mit seinen Kollegen aus der Ukraine und Russland, Pawlo Klimkin und Sergej Lawrow, sowie einem ranghohen französischen Diplomaten zu Beratungen im sogenannten Normandie-Format. Eine Lösung für den Ukraine-Konflikt sei »noch weit entfernt«, sagte er anschließend.

Im weißrussischen Minsk hatten die Konfliktparteien vor einem Jahr einen Friedensplan akzeptiert. Er sah zunächst eine Waffenruhe, dann den Abzug von Waffen und schließlich politische Schritte vor ~ bis hin zu einer Teilautonomie für die prorussischen Rebellengebiete und Kommunalwahlen. Die Umsetzung stockte seither aber immer wieder.

»Die Umsetzung der wesentlichen politischen Prinzipien hat leider noch immer nicht begonnen«, sagte Lawrow. Grund sei eine »fehlende Bereitschaft« Kiews. US-Außenminister John Kerry beharrte auf den Sanktionen gegen Moskau. Eine Lockerung der Russland-Sanktionen verlangte hingegen Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Diese schadeten »beiden Seiten«, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Vizechef der Linkspartei im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, beklagte »viel Aggressivität« gegen Russland. Ohne das Land sei aber »dauerhaft keine Lösung möglich«.

Fernab von München haben sich US-Präsident Barack Obama und Russlands Staatschef Wladimir Putin fernmündlich per Telefon über den Syrien-Konflikt beraten. Beide hätten die Münchner Vereinbarung über ein Ende der Kampfhandlungen in dem Bürgerkriegsland »positiv bewertet«, erklärte der Kreml am Sonntag. Obama und Putin vereinbarten demnach in dem »offenen« Gespräch, »eine Kooperation über diplomatische Kanäle und andere Strukturen einzuleiten«, um die Umsetzung der in München beschlossenen Schritte zu erreichen.

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