Die Aliensuperverschwörung

Nach 13 Jahren Pause kehrt die Mutter aller Mysterieserien zurück: Akte X

Diese Serie hat Anfang der 90er Jahre Erstaunliches vollbracht, sie machte aus einem Thema für schrullige Verschwörungstheoretiker absolute Popkultur. In Deutschland kam fast keine Bravo auf dem Höhepunkt des Hypes 1997 ohne die beiden Akte-X-Hauptdarsteller Gillian Anderson und David Duchovny aus. Das Poster »I want to believe«, das ein unscharf fotografiertes Flugobjekt zeigt, und bei FBI-Agent Fox Mulder an der Bürowand klebte, hing bald auch in vielen Teeniezimmern.

Jetzt, nach 13 Jahren, ermitteln Fox Mulder und Dana Scully, wieder in »unheimlichen Fällen des FBI«. ProSieben, damals schon Haussender, zeigt die sechs Folgen der zehnten Staffel seit dem 8. Februar montags um 21.15 Uhr und im Internet. Gleich mit der ersten neuen Folge seit Februar 2003 erzielt der Sender grandiose Werte: 2,44 Millionen der 14- bis 49-Jährige guckten zu, das ergibt 19 Prozent Marktanteil.

Ganz eindeutig profitieren die Macher vom Nostalgiefaktor. Das politische Umfeld, in dem die Serie heute ausgestrahlt wird, ist indes ein völlig anderes. Während die Serie 1993 das erste Mal in den USA lief, wähnte sich die einzig verbliebene Supermacht in außenpolitischer Schockstarre. Der Zweite Golfkrieg war gerade einmal zwei Jahre her und nach der katastrophalen Einmischung in den Somalischen Bürgerkrieg, die die öffentliche Meinung zum US-Interventionismus komplett umkrempelte, verabschiedete sich das Land in die Paralyse, aus der es erst der Kosovokrieg 1999 wieder herausholte. Weit weg war der 11. September, weit weg war Edward Snowden und Serien wie »Homeland«.

Stattdessen stürzte sich das Fernsehpublikum auf Mysteriöses und Extraterrestrisches samt aller dazu kursierender Verschwörungstheorien. Die Skepsis gegenüber einer klandestin operierenden Machtelite, die mit den Aliens gemeinsame Sache macht, um nach der Invasion die eigene Haut zu retten, war die größte Distanz, die sich zwischen Bevölkerung und Washington schaffen ließ.

13 Jahre, eine mysteriöse Schwangerschaft und eine beinahe Verurteilung zum Tode später treffen Mulder und Scully wieder aufeinander. David Duchovny, abgewetzt und weltentrückt, wie direkt vom Californication-Set rüber gekommen und Gillian Anderson in ihrer anmutigen, maskenhaften Unterkühltheit spielen ihre alten Rollen. Erneut zusammen bringt sie der TV-Moderator Ted O’Malley, der in seiner Show über die linksliberale Lügenpresse sinniert und sich einem Best-of aller Verschwörungstheorien widmet und damit reich geworden ist. Den 11. September gibt er in seiner Sendung als False-Flag-Inszenierung der Regierung aus, auf offener Straße kommuniziert er nicht, weil er Angst vor kleinen Fluggeräten hat, die alle Gespräche aufzeichnen. O’Malley nimmt Kontakt zu den beiden (Ex)-Agenten auf, weil er der größten aller Weltverschwörungen auf der Spur ist und Verbündete sucht.

Was die beiden am Anfang noch mit Skepsis aufnehmen, gerät in den 40 Minuten der ersten Folge zu einer schaurigen Präsentation dessen, wie Manipulation funktioniert, der sich selbst die Superskeptikerin Scully nicht entziehen kann.

In den 90er Jahren lebte die Serie davon, dass der Feind (Aliens) von außen kam und der Zuschauer sich mit denen verbündete, die einer hochparanoiden, aber weitestgehend harmlosen Nischenbeschäftigung nachgingen. Inzwischen hat sich die Bedrohung von außen nach innen verlagert. Eine korrumpierte, machtversessene Elite, zynisch und entmenschlicht, richtet sich gegen die eigene Bevölkerung.

Die Auftaktfolge krankt vor allem daran, dass sie legitime Gesellschafts- und Herrschaftskritik (entmündigender Konsum, totale Überwachung) mit dem Krudesten vermischt, was das Internet zu bieten hat (Chemtrails !!1!1!!). Mulder und Scully werden zum Instrument einer populistischen Bewegung degradiert, was so befremdlich wirkt wie die Vorstellung, Jürgen Elsässer spaziere ins Bundeskriminalamt und es hörte ihm dort jemand zu.

Die Serie läuft nun ausgerechnet in einer Zeit, in der im US-Präsidentschaftswahlkampf diejenigen die Umfragen anführen, die sich am weitesten weg von Washington inszenieren.

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