Spanien auf dem Weg zu Neuwahlen?
Hohe Podemos-Hürden für eine Regierungskoalition mit den Sozialisten
Die neue spanische Partei Podemos (Wir können es) geht nach dem guten Abschneiden bei den Wahlen im Dezember selbstbewusst vor, um eine »linke Fortschrittsregierung« zu bilden. Sie hat jetzt den Druck auf den Sozialisten Pedro Sánchez erhöht, der in Zeitnot gerät. Parlamentspräsident Patxi López hat am Montag den Termin für die Wahl des Regierungschefs verkündet. Über Sánchez wird am 2. März im Parlament diskutiert und am gleichen oder folgenden Tag abgestimmt. Sein Problem ist allerdings, dass er dort über keine Mehrheit verfügt.
Ohne eine Unterstützung von Podemos geht für die Sánchez und seine PSOE deshalb nichts. Denn die konservative Volkspartei (PP) weigert sich, ihn aus Staatsräson durch Stimmenthaltung an die Macht zu bringen, falls sich die PSOE mit den rechten Ciudadanos (Bürger) einigen kann. Die PP gewann die Wahlen zwar, stürzte aber um 16 auf knapp 29 Prozent der Stimmen ab. PP-Chef Mariano Rajoy fehlt jede Unterstützung, weshalb er das Angebot des Königs zur Regierungsbildung abgelehnt hatte.
Sánchez könnte mit Podemos regieren, müsste dafür aber Gespräche mit Ciudadanos abbrechen. Mit der »Krücke« der PP sei keine progressive Regierung möglich, meinte Podemos bisher und verweigert deshalb Verhandlungen. Für eine PSOE-Podemos-Regierung müssten sich zudem baskische und katalanische Parteien, die für die Unabhängigkeit ihrer Regionen eintreten, im zweiten Wahlgang am 5. März enthalten. Mit einfacher Mehrheit könnte Sánchez dann Ministerpräsident werden.
Hier setzt nun Podemos-Chef Pablo Iglesias den Hebel an. In einem 98-seitigen Programm machte die Partei deutlich, dass ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien nach schottischem Vorbild »unabdingbar« sei. Die Abstimmung müsse »bindend« sein und schnell durchgeführt werden, erklärte der Richter und Podemos-Abgeordnete Juan Pedro Yllanes mit Blick darauf, dass die PP eine Verfassungsreform blockieren kann. »Wir haben legale Möglichkeiten für ein Referendum vor einer tief greifenden Verfassungsreform, die dann das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkennt, die den spanischen Staat bilden.«
Das ist eine hohe Hürde für Sánchez. Denn die mächtigen Lokalfürsten - wie Susana Díaz aus Andalusien - haben ihm genau dies auf einer Führungssitzung kürzlich untersagt. PSOE-Sprecher Antonio Hernando reagierte denn auch mit »Verblüffung, Besorgnis und Enttäuschung« auf den Podemos-Vorschlag. Die PSOE stört zugleich, dass Podemos nur eine Koalitionsregierung wolle, »um die Sozialisten kontrollieren« zu können. Als »Erniedrigung« empfindet sie es sogar, dass die Hälfte aller Ministerien von Podemos und der Vereinten Linken (IU) geführt werden sollen, die auch die Kontrolle über den Geheimdienst fordern.
Ein großes Hindernis ist zudem, dass Podemos die Austeritätspolitik beenden will, die die PSOE schon vor ihrer Abwahl 2011 begonnen hatte. Die Ausgaben sollen um 96 Milliarden Euro gesteigert werden, weshalb die Defizitziele mit der EU-Kommission neu verhandelt werden müssten. Das läuft auf Konfrontation mit Brüssel hinaus.
Diese Hürden hatte Podemos schon vor den jüngsten Umfragen aufgestellt, nach denen nun sowohl die PP als auch die PSOE weiter abgestürzt sind. Statt leicht vor Podemos zu liegen, rutschen die Sozialisten auf den dritten Rang ab. Man »fürchte Neuwahlen nicht«, erklärt die Partei jetzt. Andererseits wolle man sich »lieber heute als morgen« mit Podemos treffen, um ein Treffen der Verhandlungsdelegationen zu vereinbaren, so der PSOE-Sprecher. Als Rettungsanker bleibt Sánchez noch eine Mitgliederbefragung, falls es zu einer Vereinbarung mit Podemos kommt. Denn die Basis soll über die Ergebnisse entscheiden.
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