Millionen-Deal mit Milliardärs-Clan

SPD-Landtagsabgeordneter will Aufklärung über spektakuläre Steuerhinterziehung in Bayern

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
440 Millionen Euro an Schenkungssteuer sollen fehlen? Die Angelegenheit müsste in einem Prozess aufgearbeitet werden, sollte man meinen. Nicht so in Bayern.

Bayern bietet - das zeigt auch gerade wieder der Fall Hoeneß - ein sehr günstiges Klima, was die Resozialisierung von Steuerhinterziehern anbelangt, jedenfalls ab einer Steuerschuld von mehr als 20 Millionen. Noch besser als der Ex-Präsident des FC Bayern kamen die beiden Töchter des Milliardärs Curt Engelhorn weg. In ihrem Fall ging es um eine Steuerhinterziehung von 440 Millionen Euro, die Frauen saßen in dieser Angelegenheit im Oktober 2013 neun Tage in Untersuchungshaft. Mittlerweile haben die Anwälte der Familie freilich einen Deal mit dem Gericht ausgehandelt: Die Schwestern erhielten je eine Bewährungsstrafe und eine Geldauflage von zwei Millionen Euro. Beide sind inzwischen in die Schweiz umgesiedelt.

Die Milliardärstöchter kamen also mit einem blauen Auge davon. Was nach Meinung des fränkischen Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) zu einem »Gefühl der Ungerechtigkeit in der Öffentlichkeit« geführt habe. Deshalb hat er zusammen mit Parteikollegen jetzt eine Anfrage an die Bayerische Staatsregierung in Sachen Steuerverfahren Engelhorn gerichtet.

Die »Engelsburg« ist eine der elegantesten Villen im Münchner Nobelviertel Solln. In diesem Elternhaus - hier soll auch Hitler zu Gast gewesen sein - ist Curt Engelhorn, Jahrgang 1926, aufgewachsen. 36 Jahre leitete er als Eigentümer den Pharmakonzern Boehringer-Mannheim, bis er das Unternehmen 1997 für rund 19 Milliarden Euro verkaufte. Heute wird sein Vermögen auf 5,7 Milliarden Euro geschätzt.

So wundert es wenig, dass die Töchter des Milliardärs nicht darben müssen. Als Geschenke gab es vom Vater zum Beispiel eine Villa am Starnberger See und ein Gestüt in Reichling bei Landsberg, außerdem die Hälfte seiner Karibikinsel »Five Star Island«. Dabei sollen die Töchter die 440 Millionen an Schenkungssteuer hinterzogen haben.

Für die Augsburger Staatsanwaltschaft war dies der Grund, die Schwestern (beide Anfang 40) im Oktober 2013 bei einem Einkaufsbummel in München festzunehmen. Eine Schwester verbrachte die nächsten Tage mit ihren Kindern auf der Mutter-Kind-Station in der Justizvollzugsanstalt Aichach, die andere Schwester saß in München-Stadelheim. Die zuständige Staatsanwaltschaft ordnete eine bundesweite Durchsuchung von Häusern des Clans an, der Fall Engelhorn wurde in Juristenkreisen als eine der größten Steuerstrafsachen in Deutschland bezeichnet. Beschuldigt wurde auch Professor Reinhard P., einer der bekanntesten Steuerfachanwälte in Deutschland und der Vermögensverwalter des Engelhorn-Besitzes. Dabei handelt es sich um ein undurchsichtiges Geflecht von Briefkastenfirmen und Dutzenden stiftungsähnlichen Unternehmenszusammenschlüssen.

Milliardär Curt Engelhorn hat Erfahrung mit Steuervermeidung: Bei dem Verkauf seines Pharmakonzerns bleib der Verkaufserlös von 19 Milliarden Euro steuerfrei. Der Milliardär hatte eine Gesetzeslücke entdeckt, die erst später geschlossen wurde. »Wir haben die Steuerfalle erfolgreich umgangen«, frohlockte er damals. Auch seine Töchter sind der »Steuerfalle« entronnen: Kurz nach ihrer Freilassung sind beide in die Schweiz umgezogen, haben die dortige Staatsbürgerschaft angenommen und die deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt. Das Steuerverfahren ist inzwischen beendet, die Töchter haben neben der Geldstrafe von zwei Millionen Euro einen Steuerschaden von 135 Millionen Euro an den Fiskus zurückbezahlt. Zu einem Prozess kam es nicht, stattdessen zu einer »Verständigung« zwischen den Rechtsanwälten der Familie und der Staatsanwaltschaft.

Für den Landtagsparlamentarier Halbleib wirft dieser Sachverhalt »Fragen nach der Sachbehandlung durch die bayerischen Steuerbehörden und die Staatsanwaltschaft« auf: Warum wurden den Töchtern keine Auflagen (zum Beispiel Passabgabe) nach der Haftentlassung gemacht? Wer war für diese Entscheidung verantwortlich? Wurden zur Aufklärung der verzweigten Vermögens- und Geschäftsstrukturen Rechtshilfeersuchen gestellt? War das Finanzministerium in den Verfahrensabschluss mit der »Vereinbarung« einbezogen?

Und Halbleib will von der Staatsregierung auch wissen, ob der Freistaat überhaupt von der Personalstärke her in der Lage ist, solch durchaus komplexe Verfahren bis zu einer möglichst vollständigen Aufklärung zu bringen. Die Antwort steht noch aus.

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