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»Dem gesellschaftlichen Großkonflikt nicht ausweichen«
»nd« hat Gewerkschafter gefragt, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen. Stephan Krull (IG Metall) will das Bündnis mit der Klimabewegung
Ford schließt die Fabrik in Saarlouis, bei Ford in Köln droht die Insolvenz, die Zukunft der VW-Werke in Dresden, Chemnitz, Osnabrück und Zwickau ist höchst unsicher. Bosch, Conti und Mercedes verlagern Teile der Produktion nach Osteuropa. Audi, Volkswagen und Porsche haben den Abbau von tausenden Arbeitsplätzen begonnen.
Wie reagieren wir darauf? In der Satzung der IG Metall ist der Anspruch formuliert: »Die IG Metall setzt sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt ein. Vor dem Hintergrund der globalisierten Wirtschaft schließt dies eine Internationalisierung der IG Metall ein.« Zu ihren Aufgaben und Zielen zählt die IG Metall außerdem die »Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.«
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Wir erleben gerade die falsche Industriekonversion: Im eigenen Interesse der IG Metall liegt es, die Schienenfahrzeugindustrie zu stärken, nicht die Rüstungsindustrie! Zehntausende Ingenieurinnen und Facharbeiter für Schienenfahrzeugbau, Busbau, für neue Verkehrskonzepte, für die Infrastruktur werden benötigt. Für die Energiewende braucht es Wärmepumpen, Windräder, Photovoltaik- und Solaranlagen und deren Installation auf Hunderttausenden Dächern. Niemand müsste erwerbslos werden, wenn dazu noch eine kollektive Arbeitszeitverkürzung kommt, niemand müsste Zukunftsängste haben. Ähnlich wie in der Braunkohle geht es um einen mehrjährigen Prozess. Das wäre auch der Weg, die Erosion gewerkschaftlicher Macht aufzuhalten.
Ich erwarte von meiner Gewerkschaft, dass sie diesem gesellschaftlichen Großkonflikt nicht ausweicht durch ausschließlich betriebliche Kämpfe. Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung zur befristeten Sicherung von Arbeitsplätzen darf sie nicht zustimmen. Sie muss ihren eigenen Anspruch ernst nehmen und die umfassenden Interessen aller Mitglieder vertreten. Dazu ist es erforderlich, die betrieblichen Kämpfe zu verbinden, Alternativen zur Produktion von Luxusautos zu denken und gemeinsam mit der Klimabewegung eine Verkehrswende zu erkämpfen. Von meiner Gewerkschaft erwarte ich, dass sie die von ihr selbst formulierten gesellschaftlichen und politischen Ziele auch selbstbewusst verfolgt.
Stephan Krull (IG Metall), Ex-Betriebsrat bei VW Wolfsburg.
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