Höckes Bild vom Biedermann bröckelt
Im Verfahren gegen einen ehemaligen Fraktionskollegen in Erfurt bestreitet der AfD-Rechte nicht seine frühen Kontakte zur Neuen Rechten
Nach einer halben Stunde blickt Björn Höcke zur hölzernen Decke und den zehn großen Lampen hinauf. Dass sich die Juristen neben ihm gerade über formale Details streiten, scheint an ihm vorbei zu gehen. Er lächelt milde und schüttelt dabei leicht den Kopf. So wie er das öfter tut, wenn er sich über den Dingen stehend wähnt. Zwar ist Höcke nicht freiwillig hier, das Gericht hat sein Erscheinen angeordnet. Aber immerhin ist er derjenige, der seinen ehemaligen Fraktionskollegen Oskar Helmerich verklagt hat. Helmerich war nach langem Streit mit Höcke und anderen Parteimitgliedern aus der Thüringer Landtagsfraktion der »Alternative für Deutschland« ausgetreten. Seitdem sitzt er als ebenso fraktions- wie farbloser Abgeordneter im Parlament in Erfurt und fällt nicht weiter auf; außer eben durch diesen Rechtsstreit.
So wie Höcke geht es vielen, die an diesem Verhandlungstag in dieser Woche in dem gut gefüllten Gerichtssaal sitzen; vielleicht sogar den Richtern. Jedenfalls steht nicht nur Höcke die Frage ins Gesicht geschrieben, was hier eigentlich los ist. Etwa eine Dreiviertelstunde lang erörtern die Juristen, was genau eigentlich - im Ergebnis des ersten Verhandlungstages - der Klagegegenstand ist. Allen Nicht-Juristen mag diese Erläuterung reichen: Helmerich behauptet, Höcke habe bei einer AfD-Fraktionssitzung im Dezember 2014 in Schnellroda in Sachsen-Anhalt gesagt, aus Mitteln der Fraktion solle der rechte Verlag Antaios mit mehreren tausend Euro pro Monat unterstützt werden. Höcke bestreitet das - und will, dass Helmerich seine auch öffentlich geäußerte Behauptung widerruft und künftig unterlässt.
Wie das Gericht in diesem Streit im Detail entscheiden wird, lässt sich bislang nicht absehen; das Urteil wird für den 18. März erwartet. Die Sache ist auch deshalb so undurchsichtig, weil nicht nur die Rechtslage kompliziert ist; unter anderem verschiebt sich nach Angaben des Gerichts die Beweislast zwischen Widerruf und Unterlassung zwischen Kläger und Beklagtem. Sondern auch, weil die Vernehmungen von zwei Zeugen an diesem Verhandlungstag eigentlich ziemlich ergebnislos zu Ende gehen. Die Behauptung Helmerichs bleibt im Raum - ohne, dass sie wirklich belegt oder wirklich widerlegt wäre; wenngleich der Richter Helmerich vorwirft, seine Darstellung dessen, was Höcke gesagt haben soll, mehr und mehr zu relativieren. Dass Höcke einen wie auch immer gearteten Erfolg vor Gericht davon tragen wird, scheint deshalb nicht unwahrscheinlich.
Was Höcke allerdings trotzdem nicht so recht sein dürfte: Die Legende, er sei als braver und fast schon unpolitischer Lehrer ziemlich plötzlich in die Politik gegangen, löst sich mit diesem Gerichtstermin letztlich vollends auf. Denn dass Höcke auf der Fraktionssitzung in Schnellroda - und damit eben schon Ende 2014 - Antaios bewarb, und ebenso das damit indirekt verbandelte »Institut für Staatspolitik« (IfS) lobte, eine Gedankenschmiede der Neuen Rechten zu sein, das bestreitet er nicht - auch wenn er nichts von finanzieller Unterstützung wissen will. Schließlich wird sogar ausführlich erörtertet, dass Höcke plante, einen Mitarbeiter aus dem Umfeld von Antaios und IfS bei der Thüringer AfD-Fraktion zu beschäftigen.
Warum das der Legende schadet? Weil Höcke selbst damit eben vor einem deutschen Gericht einräumt, was bislang nur andere über ihn geschrieben; und er stets als falsch zurückgewiesen hat: Dass er offensichtlich schon lange vor seiner Wahl in den Landtag gute Kontakte an den rechten Rand der Gesellschaft hatte - und eben nicht der brave, unpolitische Biedermann war, als der er sich selbst gerne hinstellt.
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