Seeleute wollen an Bord – nicht ins Museum
Petition setzt sich für Wende in der Schifffahrtspolitik ein: Verbot der Ausflaggung und Stopp von Geschenken an die Reeder gefordert
Berlin. Schon länger sinkt die Zahl der Seeleute hierzulande – von einst 50.000 auf nunmehr nur noch 5000. Experten fürchten nun, dass auch noch die letzten Arbeitsplätze in der Branche verlorengehen. Dagegen richtet sich nun eine Petition, die inzwischen über 2100 Unterzeichner gefunden hat. »Der seit Jahren anhaltende Trend zur Vernichtung von Arbeitsplätzen deutscher oder in Deutschland lebender ausländischer Seeleute sowie der aus EU-Staaten stammenden Seeleute muss gestoppt werden«, heißt es darin. Kritik wird an der Politik der Subventionen zugunsten der Reeder laut – die den Rückgang der Beschäftigung in der Branche nicht habe aufhalten können.
»Junge Menschen verzichten angesichts der Perspektivlosigkeit für Seefahrtsberufe auf eine maritime Ausbildung. Auch das an der Küste und in den Hafenstädten dringend notwendige seemännische Know-How geht verloren«, heißt es in der Petition weiter. Über das »Billigflaggenregister« wird es hiesigen Reedereien ermöglicht, ausländische Seeleute zu Niedriglöhnen anzuheuern. Klagen gegen diese Regelung blieben erfolglos. Zu den Forderungen der Petenten gehört deshalb ein Verbot der Verbringung von Schiffen unter »Billigflaggen« außerhalb der Europäischen Union. Zudem will man eine Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung erreichen, damit auf Seeschiffen aller Größen der Kapitän und mindestens die Hälfte der Besatzung EU-Bürger sein müssen. Auch hier war das entsprechende Gesetz unlängst geändert worden: Die neue Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass künftig nur noch zwei deutsche Seeleute an Bord eines deutschen Schiffes beschäftigt sein müssen. »Wir haben erhebliche Befürchtungen, was die Beschäftigungssicherheit unserer deutschen Seeleute angeht«, sagte ver.di-Vertreter Klaus Schroeter in Rostock.
Kritik wird auch an der »verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Auszahlung« der komplette Lohnsteuer der Seeleute an die Reeder laut. Dies war Ende Januar vom Bundestag beschlossen worden - schon zuvor betrug der Anteil 40 Prozent. Unterm Strich beziffert der Bund den »Finanzbeitrag an die Seeschifffahrt« auf 57,8 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Die Regierung begründet die ungewöhnliche Steuerbefreiung mit dem scharfen internationalen Wettbewerb, in dem sich maritime Unternehmen bewegen. Die Gewerkschaft ver.di hatte dies begrüßt. Das Förderinstrument sei »völlig legitim und in unserem Sinne«, wurde Peter Geitmann von ver.di unlängst in »nd« zitiert.
Bei der Opposition stieß das Gesetz auf Ablehnung: »Die deutschen Reeder bekommen die Steuer komplett geschenkt - ganz wie die viel gescholtenen griechischen Reeder«, kritisiert Lisa Paus von den Grünen. Für Herbert Behrens von der Linkspartei haben sich Bundestag und Bundesregierung mit der Befreiung einer ganzen Branche aus der Lohnsteuerpflicht zu einem »Sozialismus für die Konzerne« bekannt. Die EU-Kommission muss diese Subvention erst noch genehmigen.
Das sehen die Initiatoren der Petition anders. »Die bisherige Politik der Subventionen zugunsten der Reeder ist gescheitert«, heißt es dort – man halte stattdessen »grundlegende Veränderungen« für notwendig. Der Hamburger Rechtsanwalt Rolf Geffken sagte, die Petition sei wichtig, »weil sie das Augenmerk genau dahin zurücklenkt, wo es hingehört. Es sind keine weiteren Geschenke an die Reeder gefragt, denn gebracht hat alles Subventionieren, Entgegenkommen und alle 'Sozialpartnerschaft' in den vergangenen Jahrzehnten nichts«, so Geffken. Ende März will man mit einer Solidaritätsveranstaltung in Cuxhaven den Forderungen noch einmal Nachdruck verleihen. »Seeleute«, so das Motto, »gehören an Bord und nicht ins Museum«. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.