Flüchtlinge in Idomeni haben mit schwerem Regen zu kämpfen

EU-Kommission setzt Griechenland Frist bis Mai / Orban befürwortet Alleingänge / Türkei warnt EU vor Verzögerung beim Aufheben der Visumspflicht / Pro Asyl warnt vor rechtswidriger Zurückweisung in die Türkei

  • Lesedauer: 5 Min.
Noch immer flüchten unzählige Menschen nach Europa. Die meisten kommen über die Türkei nach Griechenland - und sitzen dort fest. Mazedonien hat seine Grenzen dicht gemacht. Auch in Idomeni bleibt die Lage dramatisch.

Starker Regen hat das Flüchtlingslager im nordgriechischen Idomeni am Freitagmorgen in eine Schlammwüste verwandelt. Mehr als 12.000 Migranten kämpften mit einem »Meer aus Schlamm und Wasser«, berichtete ein dpa-Reporter. Die Lage werde zusätzlich erschwert durch die Kälte, da das Thermometer auf fünf Grad gefallen sei. Viele Flüchtlinge seien trotz der vielen kleinen Kuppelzelte durchnässt.

Seit Mazedonien nur noch einige wenige hundert Flüchtlinge am Tag nach Norden in Richtung Westeuropa weiterreisen lässt, stauen sich die Menschen auf der Balkanroute in Griechenland. Im vergangenen Jahr waren über diesen Transitweg mehr als eine Million Menschen nach Österreich und vor allem nach Deutschland gelangt. In ganz Griechenland sitzen nach offiziellen Angaben inzwischen etwa 32 000 Migranten fest.

Knapp 600 neue Migranten kamen am Freitagmorgen aus der Inseln der Ostägäis in der griechischen Hafenstadt Piräus an, berichtete das Staatsradio (ERT). Die Hilfsorganisationen informierten die Migranten, sie können in besser organisierten Aufnahmelagern südlich der Grenze untergebracht werden. Die meisten Menschen weigern sich. Sie erwarten, dass die mazedonische Seite - auch nur für kurze Zeit - den Grenzzaun aufmachen könnte, berichteten Reporter vor Ort.

EU-Kommission setzt Griechenland Frist bis Mai
Unterdessen hat die Europäische Kommission Griechenland eine Frist gesetzt, um alle ankommenden Flüchtlinge zu registrieren. »Griechenland erhält bis Mai Zeit, die Außengrenzen zu schützen«, sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der Tageszeitung »Die Welt« (Freitagsausgabe). Am 12. Mai werde die Europäische Kommission Bilanz ziehen. »Sollten wir bis dahin keinen Erfolg erkennen, werden wir ohne zu zögern die Voraussetzungen schaffen, dass die Grenzkontrollen in Europa verlängert werden können«, kündigte Avramopoulos an. Derzeit würden etwa 80 Prozent der Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, registriert.

An diesem Freitag werde die Europäische Kommission einen Fahrplan beschließen, sagte Avramopoulos dem Blatt. Das Ziel sei, bis November alle Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums wieder aufzuheben. Der griechische EU-Kommissar warnte vor den Folgen, die ein Zusammenbruch des Schengensystems hätte: »Ein Zusammenbruch von Schengen wäre der Anfang vom Ende des europäischen Projekts.«

Orban propagiert weiter Alleingänge
Unmittelbar vor dem umstrittenen Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer in Budapest hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban erneut nationale Alleingänge in der Flüchtlingspolitik befürwortet. »Es ist besser, separat zu handeln als gemeinsam untätig zu sein«, sagte Orban am Freitag im ungarischen Staatsrundfunk.

Zustände wie die derzeitige Flüchtlingssituation an der mazedonisch-griechischen Grenze würde er »im Keim ersticken«, sagte der nationalkonservative Politiker weiter. Es sei ihm »ein Rätsel«, warum Athen überhaupt Flüchtlinge auf das griechische Festland bringe, die aus der Türkei auf den griechischen Inseln landen. Ferner sei es »unlogisch«, Russland dafür verantwortlich zu machen, dass Menschen aus Syrien vor Bombenangriffen fliehen.

Türkei warnt EU vor Verzögerungen beim Aufheben der Visumspflicht
Die Türkei hat indessen die EU davor gewarnt, die in Aussicht gestellte Reisefreiheit für ihre Bürger im Schengen-Raum hinauszuzögern. Das Ende der Visapflicht für Türken sei eng mit der von Ankara versprochenen Rücknahme von Flüchtlingen aus Europa verknüpft, sagte EU-Minister Volkan Bozkir nach einer Meldung des türkischen Nachrichtensenders NTV vom Freitag.

Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingspolitik hat sich die Türkei verpflichtet, ab Mitte des Jahres abgelehnte Asylbewerber, die über ihr Territorium nach Europa gelangt sind, wieder zurückzunehmen. Das betrifft vor allem Menschen aus Ländern wie Afghanistan, die derzeit rund ein Viertel aller Flüchtlinge stellen, die über die Türkei nach Griechenland gelangen. Syrer und Iraker seien vom Rückübernahmeabkommen mit der EU ausgeschlossen, sagte Bozkir.

»Die EU muss bis Oktober oder November die Entscheidung zur Aufhebung der Visapflicht treffen«, forderte der EU-Minister. »Wenn das Rückübernahmeabkommen in Kraft tritt, aber im Oktober oder November die Visapflicht nicht aufgehoben wird, haben wir nach dem Rückübernahmeabkommen das Recht, das Abkommen zu annullieren.«

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte die Türkei am Donnerstag zu verstärkten Anstrengungen bei der Eindämmung des Flüchtlingsstroms aufgerufen. Am Freitag will Tusk in Istanbul bei einem Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan den EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag vorbereiten.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen am Montag die vereinbarte Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise bewerten. Aus Sicht der Europäer unternimmt Ankara bislang nicht genug, um die Überfahrt von Flüchtlingen nach Griechenland zu verhindern. Die EU setzt auch auf einen Nato-Marine-Einsatz in der Ägäis, der Griechenland und die Türkei Informationen über das Vorgehen von Schlepperbanden liefern soll.

Pro Asyl legt Rechtsgutachten vor
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnt hingegen davor, Flüchtlinge in die Türkei zurückzuschicken. »Es darf keine Zurückweisungen von Schutzsuchenden in die Türkei geben. Auch das Aufbringen und Zurückschleppen von Flüchtlingsbooten durch die Nato in die Türkei wäre rechtswidrig«, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Freitag.

Die Türkei sei kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge. Zu diesem Ergebnis komme ein Rechtsgutachten des Asylrechtsexperten Reinhard Marx. Flüchtlingen, die in die Türkei zurückgewiesen würden, drohe »eine völkerrechtswidrige Abschiebung« in ihr Herkunftsland, wo ihr Leben in Gefahr sei.

Auch syrische und irakische Flüchtlinge seien von der Türkei in ihre Heimat zurückgeschickt worden, heißt es in dem Gutachten unter Berufung auf Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International. Da die türkische Regierung nur Europäern einen Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention biete, hätten Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen in dem Land keine dauerhafte Lebensperspektive.

Die EU würde deswegen fundamentale Prinzipien des internationalen Flüchtlingsrechts brechen, wenn sie weiterhin auf eine Einstufung der Türkei als sicherer Drittstaat dränge, erklärte Pro Asyl. Agenturen/nd

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