Viel Für, viel Wider
Brustkrebsscreening ist unter Experten umstritten.
Jährlich erhalten in Deutschland etwa 700 000 Frauen erstmals eine Einladung zur Brustkrebs-Früherkennung durch eine mehrdimensionale Röntgen-Untersuchung. Dieses Mammografie-Screening gibt es seit 2005. Millionen Frauen haben es absolviert. Es zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl Menschen als auch Maschinen besonderen Qualitätsanforderungen genügen müssen. Die Geräte werden regelmäßig geprüft, das medizinische Personal muss speziell aus- und fortgebildet sein. Das Altersspektrum der Frauen, die zur Untersuchung eingeladen werden, liegt zwischen 50 und 69 Jahren. Der Grund: In diesem Alter werden besonders viele Brusttumoren festgestellt und die nachlassende Dichte des Gewebes ermöglicht genauere Diagnosen als bei jüngeren Frauen.
Von Anfang an war die freiwillige und für die Frauen kostenlose Reihenuntersuchung - bezahlt wird sie von den gesetzlichen Krankenkassen - jedoch umstritten. Gesundheitsökonomen warfen den Kassen unredliche Rechnungen vor, wenn sie etwa anfangs erklärten, die Todesfälle durch Brustkrebs könnten um 20 Prozent verringert werden, und wiesen nach, dass dies nicht zutrifft. Auswertungen der Krebsregister in den USA, wo Frauen jedes Jahr zum Mammografie-Screening gehen, zeigen nach Recherchen der Journalistin Ursula Sieber, dass zwar mehr Tumoren im Frühstadium entdeckt würden, aber die Zahl der lebensgefährlichen verringerte sich nur unwesentlich. Genau das wirft für Ursula Sieber die Frage auf, ob bei der Früherkennung womöglich vor allem die »falschen« Tumore entdeckt werden, die harmlosen und langsam wachsenden und nicht die schnell wachsenden, die wirklich tödlich sein können, weil sie oft schon streuten, ehe sie beim Screening entdeckt wurden. Oder sie wachsen so rasant, dass sie im Intervall zwischen den Untersuchungen auftreten. Studien zufolge werden ein bis zwei von 1000 Frauen, die über zehn Jahre am Screening teilnehmen, vor dem Tod durch Brustkrebs gerettet. Fünf bis sieben erhalten eine Überdiagnose und unnötige Behandlung.
Derzeit versuchen die Krankenkassen, den Frauen besser aufbereitete Zahlen und Fakten zur Verfügung zu stellen, damit sie eine fundierte Entscheidung treffen können. Forscher arbeiten an einem Bluttest, damit die schmerzhafte Gewebeentnahme entfällt. Die Therapien werden punktgenauer und weniger nebenwirkungsreich. Deutlich weniger Brustkrebsfälle führen zum Tod. An der Berliner Charité nahm ein Metastasenzentrum seine Arbeit auf, in dem untersucht wird, was zu tun ist, wenn der Krebs schon auf andere Organe übergegriffen hat. Das alles ist positiv, doch die Entscheidung für eine Früherkennung trifft jede Frau allein.
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