Der Widerstand der Weibsbilder

Drei Geschichten von mutigen Frauen im Spanischen Bürgerkrieg vor 80 Jahren.

  • Werner Abel
  • Lesedauer: 8 Min.

Die Frau, die als »La Capitana« zur Legende wurde, gehörte zu den ersten Milizionärinnen, die im Juli 1936 in Spanien, als Generäle gegen die demokratisch gewählte Regierung putschten, an die Front gingen. Die Bilder der ersten Tage, die Frauen mit lachenden Gesichtern zeigten, gekleidet in den Mono, den einteiligen Anzug der Milizen, bewaffnet mit Gewehren, änderten sich rasch. Noch sah man bewaffnete Frauen zuversichtlich mit den Männern durch die Straßen von Barcelona und Madrid marschieren oder in Schützengräben Deckung suchend. Doch das Lachen verschwand zusehends, die Gesichter wurden ernster, härter. Sie widerspiegelten nun das ganze Grauen des Krieges.

Micaela Feldman, geboren 1902 in Argentinien, hatte ihre große Liebe, den dissidentischen Kommunisten Hipólito Etchebéhère geheiratet und war 1924 in die KP Argentiniens eingetreten, aber fünf Jahre darauf wegen zu linker Auffassungen wieder ausgeschlossen worden. Seit 1931 lebte das Ehepaar in Europa, vor allem in Deutschland und Frankreich, wo beide dem Kreis um die trotzkistische Zeitschrift »Que faire?« (Was tun?) angehörten. Vom Sieg der Volksfront beeindruckt, ging er im Mai, sie im Juli 1936 nach Madrid. Er, der Theoretiker, war voller Ideen, hatte unter anderem schon ein Buch über die Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung geschrieben und plante ein neues. Der Putsch entschied anders.

Das Paar gründete mit Genossen sofort eine Milizeinheit der Arbeiterpartei der marxistischen Einheit, die sie stolz »Columna motorizada del POUM« nannten. Sie verfügten über drei große Pkw und zwei Lkw, 30 Gewehre und ein Maschinengewehr. Schon im ersten Kampf, bei der Einnahme von Atienza nahe Sigüenza, wurde Hipólito von einer Kugel ins Herz getroffen.

Seiner Frau hatte er befohlen, als Sanitäterin hinter der Front zu bleiben. Eine befreundete Krankenschwester brachte ihr sein blutiges Taschentuch. Micaela Feldman sah es als ihre Pflicht an, für ihn weiterzukämpfen, als einfache Milizionärin. Ihr entschlossenes Handeln beeindruckte die Männer, sie entschieden, »Mika« solle ihre Kompanie befehligen. Sie schonte das eigene Leben nicht und schien vor dem Tod gefeit zu sein. In einem Krieg auch der Mythen und Legenden war das von großer Bedeutung.

Befördert zum Capitán (Hauptmann), war Micaela Feldman die einzige Frau mit diesem Rang in der republikanischen Armee. Aber selbst die Machos unter den Soldaten schienen die Unmöglichkeit dieser maskulinen Rangbezeichnung zu erkennen, aus der dann, gleichsam auch Kosename, »La Capitana« wurde. Die 2. Kompanie des Lenin-Bataillons kommandierend, nahm sie an den Kämpfen in Madrid, Pineda de Húmera und in Cerro de Ávila teil und hätte eigentlich ihre Einheit verlassen müssen, als mit der Militarisierung der Milizen alle Frauen von der Front abgezogen wurden. Das aber geschah in ihrem Fall erst Juni 1938.

Nach den Mai-Ereignissen im Jahr zuvor in Barcelona, in deren Gefolge der POUM verboten worden war, ist Micaela Feldman als deren Mitglied verhaftet worden. Im Gefängnis hatte sie Kontakt zu den libertären »Mujeres Libres«, wurde nach der energischen Intervention des Kommandeurs der XIV. Division, des Anarchisten Cipriano Mera, freigelassen und kehrte wieder an die Front zurück - dieses Mal als Adjutant des Kommandeurs der 38. Brigade. Danach lebte sie in Madrid und widmete sich im Auftrag der CNT den Aufgaben der Alphabetisierung.

Nach der Niederlage der Republik kehrte Micaela Feldman, ausgestattet mit einem französischen Pass, nach Frankreich zurück, musste dann aber wegen der deutschen Besetzung Frankreichs nach Argentinien fliehen. Nach der Befreiung vom Faschismus lebte sie wieder in Frankreich. Bis zu ihrem Tod politisch engagiert, half sie 1968 den rebellierenden Studenten beim Bau von Barrikaden. »La Capitana« war neben der jungen spanischen Kommunistin Lina Odena, die ebenfalls eine Milizeinheit kommandierte, in einen Hinterhalt der Falangisten geriet und Selbstmord beging, die berühmtesten Milizionärin des Krieges.

Ortswechsel, Zeitblende: 1933 fotografierte in Budapest eine 21-Jährige einen jungen Mann mit dem Namen Endre Ernö Friedmann. Niemand ahnte zu dieser Zeit, dass aus ihm der weltberühmte Fotograf Robert Capa werden sollte. Es war vermutlich ein Zufall, der beide, die schon einige Zeit im Ausland gelebt, studiert und gearbeitet hatten, wieder in Budapest zusammenführte. Kati Deutsch, so ihr Name, war Capas erste große Liebe. Bekannt geworden vor allem durch ihre Pariser Fotografien, verpflichtete die republikanische Regierung Spaniens sie 1937 für die Auslandsabteilung des Ministeriums für Propaganda. Ihre Sujets waren Milizionäre, vor allem aber die Zivilbevölkerung und Frauen, die den Soldaten das Essen brachten, zerstörte Wohnhäuser instand setzten, Klöster zu Lazaretten umwandelten etc. Sie fotografierte menschenleeren Straßen während eines Bombardements, was das Grauen des Krieges mehr ahnen ließ als die Toten, die zu jener Zeit die Weltpresse füllten. Der weibliche Blick auf den Krieg wurde öffentlich.

Kati Deutsch heiratete den Maler und Bildhauer José Horna; unter dem Namen Kati Horna wurde sie berühmt. Nicht so wie Gerda Taro, die neue Gefährtin von Robert Capa. Aber dafür stand sie nicht im Schatten eines berühmten Mannes, der das gleiche Metier ausübte. Kati gehörte keiner Partei an, beeinflusst war sie sicher von ihrem früheren Gefährten Pal (Paul) Partos, einem Mann aus dem Kreis um Karl Korsch, aber sie war selbstständig genug, ihre Position allein zu finden und zu bestimmen. Ihre Sympathie gehörte den Libertären, vor allem der Federación Anarquista Ibérica. Folgerichtig wurde sie Bildredakteurin der anarchistischen Wochenschrift »Umbral«. Faszinierend ihre Montagen, die an John Heartfield erinnern. Zudem arbeitete sie für Zeitschriften wie »Tierra y Libertad«, »Tiempos Nuevos« und »Mujeres Libres«.

Im Gegensatz zu Gerda Taro, die sie natürlich gekannt und getroffen hatte, überlebte Kati Horna den Krieg und konnte im Oktober 1939 nach Mexiko emigrieren. Dort arbeitete und lehrte sie als Fotografin, die Entwicklung in Spanien weiter beobachtend. Erst 1979 konnte sie in Madrid ihre erste Ausstellung ausrichten. Natürlich war ihre Freude groß. Kati Horna starb im Jahre 2000 in Mexiko; ihre Bilder erlebten inzwischen mehrere große Ausstellungen in Madrid und in London.

Dritte Klappe: Im Oktober 1937 erschien in Madrid, herausgegeben vom Kommissariat der Internationalen Brigaden, eine Broschüre mit dem Titel »Los Juidos-Luchadores de la Libertad« (Die Judenkämpfer für die Freiheit), für die kein Geringerer als der Kommissar-Inspekteur der Internationalen Brigaden Luigo Longo (Gallo) das Vorwort verfasst hatte. Mit Wehmut erinnerte jener sich an einen gefallenen jungen jüdischen Kameraden, der ihn gebeten habe, für die Aufstellung einer jüdischen Einheit zu sorgen: Die Welt müsse erkennen, dass die Juden gegen die Faschisten kämpfen. Der Junge erlebte es nicht mehr, dass eine solche Einheit dann tatsächlich gebildet wurde.

Die Verfasserin der Broschüre war Gina Medem. 1886 im damals zum zaristischen Russland gehörenden polnischen Tomaschow als Gina Birenzweig geboren, kam sie durch die Heirat mit dem Sozialisten und Theoretiker des »Bundes« Vladimir Medem zu ihren Namen. Vor der Oktoberrevolution in die USA übergesiedelt, hatte Gina Medem früh für die Presse der jüdischen Arbeiterbewegung zu schreiben begonnen und sich 1926 nach einem Besuch in der Sowjetunion der KP der USA genähert. 1937 erklärte sie dem Kommissariat der Internationalen Brigaden, sie sei aus taktischen Erwägungen nicht KP-Mitglied geworden; seit zehn Jahren gehöre sie aber der Redaktion der »Morgen-Freiheit«, dem Organ der jüdischen Sektion der KP der USA, und dem Jüdischen Büro der Partei an. Überdies arbeite sie für die jiddischen Sendungen des spanischen Regierungssenders EAQ und habe erreicht, dass diese stets in den drei großen jüdischen Zeitungen der USA angekündigt würden.

Das Jahr 1937 scheint ihr produktivstes in Spanien gewesen zu sein. Im Juli nahm Gina Medem als Korrespondentin am 2. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur teil, der in Madrid und Valencia stattfand. Im September gelang es ihr, eine »Botschaft der Pasionaria«, Dolores Ibárruri, in »New Masses« zu veröffentlichen, einer vor allem in marxistischen und der KP nahestehenden intellektuellen Kreisen der USA verbreiteten Zeitschrift. Zurückgekehrt in die Vereinigten Staaten, gründete sie unter dem Namen Book-Comitee eine Buchgemeinschaft, verfasste 1950 ihre Autobiografie und später das Buch »Lands. Peoples. Struggles«.

Gina Medem saß stets zwischen den Stühlen. Obwohl sie sich selbst trotz der Schauprozesse gegen die alten Bolschewiki auf Seiten der KPdSU positionierte, diffamierten vor allem die Genossen der KPD sie in Spanien als »verdächtiges Element«. Weil sie sich aber nie, auch nicht später in Zeiten des Kalten Krieges, zu antisowjetischen Äußerungen hinreißen ließ, wurde ihr von anderer Seite wiederum vorgeworfen, sie verletze die Interessen der Juden. 1977 verstarb Gina Medem im Alter von 81 Jahren.

Die Historikerin Renée Lugschitz schätzt, dass zwischen 500 und 600 Frauen aus aller Welt der vor nunmehr 80 Jahren bedrohten spanischen Republik zur Hilfe geeilt sind. Viele von ihnen hätten wohl gerne wie die Holländerin Fanny Schönhaid am Maschinengewehr oder mit dem Karabiner in der Hand gegen die Franquisten gekämpft. Das war ihnen verboten worden. So kämpften sie für die Republik und die Freiheit als Ärztinnen, Krankenschwestern, Übersetzerinnen, Journalistinnen, Mitarbeiterinnen in Verwaltungen, als Sprecherinnen im Rundfunk oder als Betreuerinnen der spanischen Kinder, die im Krieg ihre Eltern verloren hatten. Wie der antifaschistische Widerstand weltweit, so hatte er auch in Spanien ein weibliches Gesicht.

Dr. Werner Abel gab jüngst mit Enrico Hilbert das Lexikon deutscher Spanienkämpfer heraus: »Sie werden nicht durchkommen« (Edition AV. 567 S., br., 45 €).

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