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Raus aus den Hausaufgaben
Tom Strohschneider fragt: Was ist links?
In seinem neuen Buch »What’s left?« beschäftigt sich Tom Strohschneider nicht nur erneut mit der Frage, die er schon in seiner Flugschrift »Linke Mehrheit?« vor zwei Jahren diskutiert hatte, sondern er entwirft ein umfassendes europäisches Bild. Der Chefredakteur des »neuen deutschland« beschreibt die gesellschaftspolitischen Herausforderungen ebenso wie den Rechtsruck in allen europäischen Gesellschaften.
Tom Strohschneider: What's left? Europas Linke und der Rechtsruck.
VSA. 96 S., br., 9,80 €.
Schwerpunkte sind natürlich die Situationen in der Bundesrepublik und in Griechenland. Zu Recht schreibt und beweist er, dass es noch mehr als in der Vergangenheit um die »Not und Notwendigkeit radikaldemokratischer Veränderungen« geht. Er verschweigt aber auch nicht, dass die Fragezeichen über den »Stand und die Perspektiven der gesellschaftlichen Linken« groß sind. Wer diese Publikation liest, wird es mit (linkem) Gewinn tun. Ein faktenreiches Buch über linke und andere Debatten, Widersprüche und Schwierigkeiten. Das eigene kritische Nach- und Weiterdenken kann Leserinnen und Lesern jedoch keinesfalls abgenommen werden.
Zunächst wollte ich schreiben, dass Strohschneider der Linken in Deutschland und Europa enorme Hausaufgaben gestellt habe. Doch spätestens im Kapitel »Das klassenlose ›Wir‹ und ›die da oben‹« über Linkspopulismus merkte ich, dass er nicht weniger - und nach meiner Überzeugung zu Recht - von den Linken erwartet, als dass sie aus dem eigenen ideologischen Haus, aus ihren Programmen, Reden, Anträgen oder Presseerklärungen heraustreten und sich mitten in die Gesellschaft und unter die Menschen begeben.
In diesem Zusammenhang hätte ich mir persönlich aber auch gewünscht, dass sich der Autor mit den Thesen von Professor Wolfgang Merkel in der FAZ vor fast drei Jahren unter der Überschrift »Krise? Krise!« beschäftigt hätte. Mich bewegt diese Analyse beständig und inzwischen noch stärker als 2013. Merkel verwies überzeugend darauf, dass wir durch den Ausschluss und Selbstausschluss einer zunehmenden Zahl von Nichtwählern, insbesondere von sozial benachteiligten Menschen, auf dem Weg zu einer Zweidrittel- oder gar halbierten Demokratie seien. Dies ist ja nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch für politische Veränderungsmöglichkeiten. Die Menschen zu erreichen, ist außerdem eine besondere kulturelle Herausforderung, gerade für jene, die in Parlamenten oder Programmen sich besonders für sie einsetzen. Dort, wo Strohschneider sich mit dem heutigen Rechtsruck befasst, wird aber auch deutlich, dass die AfD oder Pegida in Deutschland zum Ventil für die Unzufriedenheit und den Pessimismus dieser Menschen werden können.
Dass die etwa einhundert Seiten anregend geschrieben sind, muss bei diesem Autor nicht betont werden. Die Einschätzungen sind gründlich recherchiert und reich begründet. Ich empfehle ein Buch, das inhaltlich, empirisch und nicht zuletzt kulturell die Aufgaben anspricht, die Linke zu lösen haben, wenn sie nicht nur kritisieren, sondern real verändern wollen.
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