Toiletten für Behinderte in einem Lokal nicht immer Pflicht

Gerichtsurteile

  • Lesedauer: 3 Min.
Gastwirte müssen nicht in jedem Fall bei Neueröffnung eines Lokals behindertengerechte Toiletten einbauen.

Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 4 K 169.15), das am 15. Februar 2016 veröffentlich wurde, kommt es bei der Verpflichtung zum Einbau behindertengerechter Toiletten nicht nur auf die Größe des Schankraums an, sondern auch auf das Datum der Baugenehmigung für die Räumlichkeiten.

Geklagt hatte ein Gaststättenbetreiber aus Berlin-Spandau. Er hatte das seit über 40 Jahren existierende Lokal, dessen Gästetoiletten im Untergeschoss nur über eine Treppe erreichbar sind, 2013 übernommen. Das Bezirksamt Spandau versagte daraufhin dem Kläger die Gaststättenerlaubnis, weil in Berlin ab einer Schankraumfläche von 50 Quadratmetern mindestens ein WC für mobilitätsbehinderte Gäste vorhanden sein muss.

Diese Vorgabe der Berliner Gaststättenverordnung stehe nicht im Einklang mit dem bundeseinheitlichen Gaststättengesetz, urteilten jetzt die Verwaltungsrichter. Im Bundesgesetz gelten die Anforderungen an eine barrierefreie Nutzung von Gaststätten nur für Räumlichkeiten, für die eine Baugenehmigung nach dem 1. November 2002 erteilt worden ist. Die Spandauer Gaststätte, deren Betreiber geklagt hatte, wurde aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1975 betrieben.

Die Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin verpflichtete deshalb das zuständige Bezirksamt zur Erteilung der Betriebsgenehmigung. Wegen der grundsätzlicher Bedeutung des Falles hat das Gericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen. epd/nd

Zugtoilette defekt - kein Schmerzensgeld

Sie muss dringend aufs Klo. Aber die Zugtoilette ist kaputt. Da passiert ein Malheur. Die Frau hat keinen Ausweg gesehen. Das Landgericht Trier sagt: Es hätte einen gegeben.

Eine Frau, die sich nach einer Bahnfahrt ohne funktionierende Zugtoilette in die Hose gemacht hat, ist selbst schuld, so das Landgericht Trier mit Urteil vom 29. Januar 2016. Sie hätte die zweistündige Reise in einer Regionalbahn in Rheinland-Pfalz zwischen Koblenz und Trier an einer von den 30 Haltestellen unterbrechen und sich auf einem Bahnhofsklo oder auch anderswo Erleichterung verschaffen können. Dies sei »nicht unzumutbar« gewesen. Einen Anspruch auf Schmerzensgeld seitens der Bahn habe sie nicht.

Das Landgericht kippte damit ein Urteil des Amtsgerichts Trier, das der Frau 200 Euro zugesprochen hatte. Dagegen hatte die Bahn Beschwerde eingelegt, weil in diesem Urteil der ersten Instanz die Beförderung ohne funktionierende Toilette als Pflichtverletzung der Bahn bezeichnet worden war.

Anspruch auf Schmerzensgeld gebe es nur dann, wenn die Geschädigte den Schaden »nicht selbst durch eigenverantwortliches Handeln überwiegend mitverursacht« habe, so das Landgericht. »Unter bestimmten Umständen kann es Reisenden zugemutet werden, den Zug zu verlassen und die Reise nach einem Toilettengang mit der nachfolgenden Bahn fortzusetzen.« Die Frau hätte aussteigen können, habe sich aber »dafür entschieden, die Fahrt fortzusetzen und die letztlich eingetretenen Folgen zu riskieren«. Sekunden nach dem Aussteigen in Trier geschah das Malheur.

Das Landgericht betonte: Es habe die grundsätzliche Frage, ob es eine Verpflichtung der Bahn gebe, in Regionalbahnen für eine funktionierende Toilette zu sorgen, »ausdrücklich offen gelassen«. Dass die Bahn die Reisenden auf das Kloproblem nicht aufmerksam machte, rügten die Richter als »Pflichtverstoß« - doch dies begründe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld.

Es gehe also nur um den konkreten Fall: Die Frau reiste nachmittags bei Tageslicht von Koblenz nach Trier. Es habe »zeitnahe Anschlusszugverbindungen an größeren Haltepunkten« gegeben. Das seien auch keine »Geisterbahnhöfe«, also »abgelegene und durchgehend menschenleere Örtlichkeiten« gewesen. Doch trotz »des touristisch erschlossenen unmittelbaren Umfelds der größeren Bahnhöfe« habe sie sich »entschieden, die Fahrt fortzusetzen und die letztlich eingetretenen Folgen zu riskieren«.

Der Anwalt der Klägerin, Michael Lang, bedauerte die Entscheidung. Ein Gang zum Bundesgerichtshof sei nicht möglich. Eine Bahnsprecherin sagte, man sehe sich bestätigt. Zum »bestmöglichen Service«, um den die Bahn ständig bemüht sei, »gehört selbstverständlich die Toilette dazu«. Es gebe aber auf den Klos viel Vandalismus - und man bedaure, wenn dieser Service »in Einzelfällen« nicht möglich sei. dpa/nd

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