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»Jetzt ist Zahltag«: Tarifverhandlungen starten

Gewerkschaften fordern 6 Prozent mehr für Beschäftigte von Bund und Kommunen / Ökonom Bofinger: Das ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll / Städtevertreter sagen dennoch Nein

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen starten am Montag in Potsdam. Im Vorfeld gibt es die üblichen Äußerungen: Die Kommunen halten die Lohnforderung der Gewerkschaften für zu hoch - ver.di und der Beamtenbund dbb pochen auf eine deutliche Erhöhung. Das wird auch von Ökonomen wie Peter Bofinger unterstützt.

Der Professor und Sachverständige der Regierung sagte in der ARD, die Forderung der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst nach deutlich höheren Löhnen nach 15 Jahren mit nur moderaten Anstiegen sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Es sei besser, wenn die Löhne und Gehälter spürbar steigen - als die Zinsen weiter niedrig zu halten. Wenn die Europäische Zentralbank wie gewünscht die Zinsen auf zwei Prozent anheben wolle, seien auch Lohnsteigerungen richtig. Bofinger äußerte sich zwar nicht im Detail zu der Forderung der Gewerkschaften - die wollen eine Erhöhung um sechs Prozent. Er betonte aber, der finanzielle Spielraum der Städte und Gemeinden sei durch das höhere Steueraufkommen größer geworden.

Es geht den Gewerkschaften aber auch um Anerkennung der Arbeit. »Die Versorgung der Flüchtlinge war ein Kraftakt«, sagte dbb-Vize Willi Russ zum Auftakt der Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten hätten bis zum Umfallen gearbeitet. »Jetzt ist Zahltag«, sagte Russ. Ver.di-Chef Frank Bsirske betonte, gerade Kitas, Schulen oder Polizei bräuchten zusätzlich Personal, um die gesellschaftlichen Aufgaben zu lösen. Deshalb brauche es attraktive Bedingungen.

Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes überfordern dagegen die Tarifvorstellungen die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der »Passauer Neuen Presse«, die Forderungen für die mehr als zwei Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen seien »für uns nicht darstellbar. Das überfordert die finanziellen Möglichkeiten der Städte und Gemeinden deutlich.« Eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um sechs Prozent würde die Kommunen nach Angaben Landsbergs mit jährlich 5,6 Milliarden Euro belasten. Wenn es wirklich zu einem solchen Abschluss kommen würde, müssten Städte und Gemeinden an anderen Stellen kräftig streichen.

Auch in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« lehnte Landsberg die Tarifforderung ab: »Unverhältnismäßige Mehrkosten müssten die Kommunen durch die weitere Streichung freiwilliger Leistungen, höhere Gebühren und Steuern ausgleichen.« Die Folgen einer zu starken Tariferhöhung würden aber auch die Beschäftigten treffen, warnte Landsberg. Denn damit würden »die Bemühungen der Kommunen konterkariert, zum Abbau der Arbeitsverdichtung Personal neu einzustellen«. Auch der Deutsche Städtetag sträubt sich. Zwar sei der Wunsch der Beschäftigten nach Beteiligung an der wirtschaftlichen Entwicklung verständlich. »Aber wie man von null Prozent Inflation zu sechs Prozent Gehaltsforderung kommt, das erschließt sich nicht von selbst«, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Die Tarifrunde beginnt am Montagnachmittag in Potsdam. Verhandelt wird unter anderem über das Gehalt von Erziehern, Mitarbeitern von Müllabfuhr, Straßenreinigung, Kliniken sowie Bundespolizisten und Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Als oberster Dienstherr der Bundesbeschäftigten wird Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Auftakt in Potsdam erwartet. Auf die Auftaktrunde sollen zwei weitere Verhandlungsrunden bis Ende April folgen. Agenturen/nd

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