Umziehen vor und nach der Arbeit muss vergütet werden
Arbeitsgericht: Kleidungswechsel ist Weisung des Arbeitgebers
Über dieses Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen (Az. 3 Ca 1700/14) informiert die Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (D-AH).
Im verhandelten Fall arbeitete ein Mann seit 1996 als Mechaniker in einem Betrieb. Für seine Arbeit ist er verpflichtet, bei Dienstantritt Arbeitskleidung anzulegen und diese nach Ende auch wieder gegen seine normale Straßenkleidung zu wechseln. Er brauchte dafür zu Arbeitsbeginn 5 Minuten und nach Dienstschluss etwa 15 Minuten. Die Zeit wurde seit jeher nicht bezahlt. Das wollte der Mann nicht mehr hinnehmen.
Kommt es dabei zum Unfall, muss der Arbeitnehmer für den Unfallschutz den Toilettengang nachweisen können, so das Sozialgericht Karlsruhe in einem am 9. Dezember 2015 veröffentlichten Urteil (Az S 4 U 1189/15).
Damit hat die klagende Monteurin Pech gehabt. Die Frau verließ kurz vor ihrer regulären Pause ihren Arbeitsplatz und achtete nicht auf den Fahrweg. In der Folge fuhr ein Gabelstapler über ihren rechten Fuß. In der Unfallortsmeldung gab sie zunächst an, auf dem Weg zum Raucherraum gewesen zu sein. Später meinte sie, dass sie erst zur Toilette wollte.
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Zu Recht, wie das Sozialgericht urteilte. Einige Zeugen hätten erklärt, dass die Klägerin offenbar eine Raucherpause einlegen wollte.
Unfallversicherungsschutz könne jedoch nur für den Gang zur Toilette beansprucht werden. Bei der Verrichtung der Notdurft handele es sich anders als bei der Zigarettenpause um eine »regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran dient«, so die Richter. Damit bestehe ein betrieblicher Zusammenhang, so dass der Toilettenweg unter Unfallschutz stehe.
Dem Versicherten treffe dabei die Beweislast, ob er sich auf dem Weg zur Toilette oder zum Raucherraum befand. Hier habe die Klägerin die Indizien für eine Raucherpause nicht widerlegen können. epd/nd
Sein Arbeitgeber wollte ihm aber die Zeit nicht anrechnen. Die Dienstkleidung im Betrieb wechseln zu können, sei lediglich ein Angebot der Firma - ohne Vergütungsanspruch.
Das Arbeitsgericht Oberhausen gab dem Mechaniker Recht. Denn das Wechseln der Dienstkleidung sei Bestandteil der geschuldeten und zu vergütenden Arbeitszeit. Zudem untersagt der Arbeitgeber seinen Angestellten die Dienstkleidung auch im privaten Rahmen. Die Mitarbeiter sind damit praktisch gezwungen, sich im Betrieb umzuziehen.
»Wenn der Arbeitgeber solche Regeln aufstellt, unterliegen sie seinem Weisungsrecht und zählen somit auch zur Arbeitszeit«, erklärt Rechtsanwalt Frank Böckhaus. Es sei dem Mechaniker nicht zuzumuten, ölverschmiert nach Hause zu fahren, weshalb er nach Arbeitsschluss duschen müsse. Ihm stehe eine Zahlung in Höhe von 750 Euro zu. D-AH/nd
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