Keine Atlantikbrücke für Konzerne

Organisatoren erwarten Zehntausende Menschen zu Anti-TTIP-Protesten Ende April in Hannover

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz kleinerer Korrekturen bleibt der Hauptkritikpunkt der Freihandelsgegner bei den Abkommen TTIP und CETA der Investorenschutz.

Als Barack Obama im Sommer 2008 als US-Präsidentschaftskandidat vor der Berliner Siegessäule sprach, kamen mehr als 200 000 Zuhörer. Es sei Zeit für »neue Brücken« zwischen den USA und Europa, sagte er damals. Jetzt, zum Ende seiner Amtszeit, kommt Obama wieder nach Deutschland, um Ende April mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen die Industriemesse in Hannover zu eröffnen. Doch die Brücke, an der die beiden bauen wollen, ist äußerst unbeliebt in der Bevölkerung beiderseits des Atlantiks.

»Wenn das Weiße Haus vorab keinen Zweifel daran gelassen hat, dass der Obama-Besuch genutzt werden soll, TTIP voranzubringen, dann ist es ein richtiges Signal, jetzt den Protest auf die Straße zu tragen«, erklärte ver.di-Chef Frank Bsirske am Freitag in Berlin. Die Dienstleistungsgewerkschaft ruft zusammen mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Paritätischen Gesamtverband und der Kampagnenplattform Campact zu einer Großdemonstration am 23. April, dem Vortag des Obama-Besuchs, in der niedersächsischen Landeshauptstadt gegen die umstrittenen Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) auf.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Bereits 400.000 Flugblätter seien von Unterstützern bestellt worden, erzählt Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. Mit einer Viertelmillion Teilnehmern wie zur letzten Anti-TTIP-Demostration vergangenen Herbst in Berlin rechnet er zwar nicht. Doch um die 40.000 Menschen - wie zu den Protesten gegen den G7-Gipfel vergangenen Sommer in München - sollten es werden.

»Gemeinsam mit unseren US-amerikanischen Freunden demonstrieren wir gegen TTIP - nicht gegen Obama«, stellt Bautz klar. Wenn er den Klimaschutz voranbringe oder das Embargo gegen Kuba lockere, »jubeln ihm immer noch die Bürger zu wie 2008«. Doch wenn Obama »ein Konzernabkommen durchsetzen will, trifft er auf Widerstand auf beiden Seiten des Atlantiks«. So erwarten die Organisatoren auch internationale Redner wie Lori Wallach von der US-Verbraucherorganisation Public Citizen.

Dabei gibt es weiterhin genug Kritik an der Bundesregierung. Diese bewege sich bisher »keinen Meter, um die deutliche Kritik an den geplanten Abkommen und die massiven Bedenken der Menschen in unserem Land auszuräumen«, so der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. Zwar konnten die Bundestagsabgeordneten erkämpfen, dass sie nun die Verhandlungsdokumente einsehen dürfen. Doch die äußerst strengen Auflagen hierfür stellen Schneider zufolge eine »Brüskierung der Zivilgesellschaft« dar.

Hauptkritikpunkte des Protestbündnisses bleiben die Investorenschutzklauseln und internationalen Schiedsgerichte, mit denen Konzernen weitgehende Klagerechte gegen Staaten eingeräumt werden sollen. »Was die EU-Kommission und die Bundesregierung als Durchbruch und Kehrtwende im Investitionsschutz präsentieren, ist das alte Streitschlichtungssystem mit ein paar Schönheitskorrekturen«, so BUND-Vorsitzender Hubert Weiger, der wie die anderen Organisatoren auch durch die Abkommen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bedroht sieht.

Besonders sauer sind die Protestierer auf Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Zunächst behauptete der SPD-Mann, Bundestag und Partei über CETA und TTIP abstimmen lassen zu wollen. Nun hieß es aus seinem Ressort, dass CETA bereits vor der Ratifizierung durch den Bundestag vorläufig in Kraft treten soll.

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