Assistenz für ein würdiges Leben

Helfer von Behinderten bekommen nicht viel mehr als den Mindestlohn

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Rund 1000 Menschen arbeiten in Berlin in der Persönlichen Assistenz. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Neben der Pflege bedeutet das, sie bei einem möglichst hindernisfreien Alltag zu unterstützen: Die Assistenten gehen mit ihnen auf Ämter oder ins Kino, begleiten sie zum Training der Rollstuhl-Hockeymannschaft und ermöglichen ihnen die Kommunikation, wenn sie nicht sprechen können.

Die »Persönliche Assistenz« ist kein Ausbildungsberuf. Viele steigen quer ein. Nach einem Grundkurs von 200 Stunden (Einstiegswoche und mehrere Fortbildungen) geht es direkt in die Praxis.

Bezahlt werden sie etwa wie ungelernte Hilfskräfte. Da ihre Kompetenzen allerdings viel weiter reichen und sie auch Pflegetätigkeiten ausüben, fordern die Assistenten, ihre Arbeit höher einzugruppieren. Darüber entscheiden nicht die Arbeitgeber, sondern die Länder.

Von Ende 2015 bis Februar 2016 verhandelten die Trägerverbände, darunter der Verein »ambulante dienste«, mit der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und den Krankenkassen über eine Anhebung des Lohns der Assistenten im Rahmen des sogenannten Leistungskomplexes 32, einer Ergänzung zum Sozialgesetzbuch XI. Die letzte Erhöhung hatten sie 2011 erwirkt, die Tariflöhne wurden an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin von 2010 angelehnt. Das Einstiegsgehalt lag damit noch bis vor kurzem unter dem Pflegemindestlohn. Weil das heute nicht mehr rechtens wäre, wurde es kürzlich um ein paar Cent angehoben.

In den jüngsten Verhandlungen einigten sich die Parteien kürzlich auf eine Anpassung an den Berliner Tarifvertrag von 2015. »Wir sind zufrieden, dass der Tarif nun angeglichen wurde«, sagte Carsten Does vom Betriebsrat des Vereins »ambulante Dienste« dem »nd«. Was immer noch fehle, sei die automatische Anpassung an den Tarifvertrag, wenn sich dieser erhöhe. Deshalb ist der Vertrag nur auf ein Jahr ausgelegt, und die Träger wollen direkt in die nächsten Verhandlungen einsteigen.

Does reicht das nicht. »Unsere Tätigkeit ist immer noch zu niedrig eingruppiert.« Das lasse sich aber nicht als einzelner Betrieb durchsetzen, sondern gehe nur zusammen mit den Gewerkschaften. Einfach sei die Anpassung an Pflegeberufe auch deshalb nicht, weil viele Assistenznehmer »Angst vor qualifiziertem Pflegepersonal« hätten, das sie bevormunde. Diese Befürchtung ist ein Erbe der 1970er Jahre. Damals entstand die Krüppelbewegung, die mehr Selbstständigkeit für Körperbehinderte einforderte. »Aber wir sind jetzt 40 Jahre weiter«, sagt Does. In der Ausbildung von Pflegepersonal könne durchaus auch die Förderung von Selbstständigkeit ein Thema sein. »Und gesichert ist auch nicht, dass Ungelernte die Assistenznehmer nicht auch bevormunden.«

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