99 Kiezläden für Erhalt von M99 Bündnis

»Zwangsräumung verhindern« übergibt Solidaritätserklärung für Szeneladen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Der »Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf M99« in Berlin-Kreuzberg ist von der Räumung bedroht. Weil der Hausbesitzer nicht mehr am Runden Tisch teilnehmen will, hat das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« ihn in seinem Geschäft am Kurfürstendamm besucht. Sein Anwalt nahm eine Solidaritätserklärung von 99 Kiezläden entgegen.

Frederick Hellmann zeigte sich nicht. Stattdessen trat sein Anwalt am Donnerstagnachmittag durch die Tür der Herrenboutique am Kurfürstendamm und stellte sich der kleine Gruppe Abgesandter, die ihm eine Solidaritätserklärung von 99 Kiezläden für den »Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf M99« von Hans-Georg Lindemann in der Manteuffelstraße in Kreuzberg überreichten. Das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« und die Gruppe »Bizim Kiez« hofften, damit den Dialog zwischen Lindemann und Hellmann wieder in Gang bringen zu können, den Hellmann Anfang März abgebrochen hatte. Die Solidaritätserklärung unterzeichnet haben unter anderem der Lottoladen, Adanagrill und Klas Kebab in der Manteuffelstraße. Ihre Unterschrift ist nicht nur uneigennützig. »Die Leute haben selbst Angst, ausziehen zu müssen. Immer mehr Mieter werden aus dem Kiez verdrängt. Für Gewerbetreibende ist es noch schwieriger, ihren Laden zu halten«, sagte David Schuster, Sprecher des Bündnisses »Zwangsräumung verhinder«, dem »nd«.

Hellmann ist der Besitzer des Hauses, in dem Lindemann – HG genannt – seit mehr als 30 Jahren wohnt und seinen Laden für Revolutionsbedarf führt. Seit Jahren haben wechselnde Besitzer immer wieder versucht, HG zum Auszug zu bringen. Bisher ist das nicht gelungen. Nun sieht es so aus, als sei die Räumung nicht mehr abwendbar. »Hellmann will nur noch über das Wie des Auszugs diskutieren, nicht mehr über das Ob«, sagte Schuster. Mehrere Runde Tische, an denen auch Vertreter des Bezirks teilgenommen hatten, konnten letztlich kein Einlenken Hellmanns erwirken. Der brach die Verhandlungen laut Bündnis am 3. März ab, weil er sich aus den Reihen von HG-Unterstützern bedroht sah. Das kann Schuster nicht bestätigen. »Wir sind hier um deutlich zu machen, dass die Bedrohung nicht von HG ausgeht, sondern von Herrn Hellmann.« Hellmanns Anwalt Wollmann nahm am Donnerstag das DIN-A-3-Blatt mit den sich solidarisch erklärenden Läden höflich entgegen, auf Gespräche mit HG oder dessen Unterstützern will er nicht eingehen. »Wir haben gestern unsere Stellungnahme versandt. Alles weitere regeln wir mit Ihrem Anwalt.« Wollmann verabschiedete sich, bevor er jedoch zurück in das Geschäft gehen konnte, schallten ihm ein Chor entgegen: »Die Häuser denen, die drin wohnen!«

Die kleine Gruppe zog rund 50 Meter zurück auf den Georg-Grosz-Platz, wo sich insgesamt rund 50 Menschen zu einer Kundgebung versammelt hatten. Ein Transparent forderte: »Stoppt Zwangsräumungen«, Teilnehmer verteilten Flyer an Passanten, auf denen die Umstände der Kündigung HGs beschrieben wurden. Dort führte das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« auch die Ergebnisse eigener Recherchen auf, nach denen Hellmann einen Jahresumsatz von 80 bis 90 Millionen Euro macht. »Hellmann ist nicht darauf angewiesen, HG rauszuwerfen und seine Räume teurer zu vermieten. Aber ab einem gewissen Einkommen scheint man wohl gewisse Gepflogenheiten an den Tag legen zu müssen«, sagte Schuster dem »nd«. Zum Abschluss der Kundgebung erklärte HG »Ich möchte keinen Unfrieden. Unfrieden wollen nur die anderen.« Für den Tag »X minus Eins«, also den Tag vor dem Termin für die Zwangsräumung, der für Juni erwartet wird, hat HG Großes geplant: einen Demonstrationszug vom Konzertsaal SO 36 in Kreuzberg über das Springer-Gebäude bis zum ehemaligen Kunst- und Kulturcentrum Kreuzberg in der Anhalter Straße, einen ganzen Karnevalsumzug, mit dem ihm Aufmerksamkeit sicher wäre – der die Räumung aber nicht mehr verhindern könnte.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.