Studie: Eine Million misshandelte Frauen in Bayern
Wissenschaftliche Schätzung geht von hoher Zahl von Frauen aus, die im Laufe ihres Lebens Opfer sexueller Gewalt wurden / Alljährlich sollen 140.000 Frauen zur Zielscheibe männlicher Gewalt
München. Über eine Million Frauen in Bayern sind laut einer neuen wissenschaftlichen Schätzung im Laufe ihres Lebens Opfer sexueller Gewalt geworden. Und alljährlich werden geschätzt 140.000 Frauen zur Zielscheibe sexueller oder körperlicher Gewalt, von denen 90.000 schwer misshandelt werden. Davon geht das Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg in einer am Donnerstag an den Landtag übermittelten Studie aus.
Die Schätzung basiert auf der Herunterrechnung bundesweiter Untersuchungen auf Bayern. Die Autorin Monika Schröttle und ihre Mitarbeiterinnen sprechen selbst von einer Schätzung. Die Studie war vom Landtag 2014 in Auftrag gegeben worden, um den Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern zu ermitteln.
Derzeit gibt es knapp 370 Plätze, doch das ist nach Einschätzung der Wissenschaftlerinnen zu wenig. Etwa 1500 Frauen im Jahr finden Zuflucht in einem Frauenhaus - doch eben so viele werden abgewiesen. Die Wissenschaftlerinnen empfehlen eine Aufstockung der Plätze um gut ein Drittel.
»Das bestätigt, was wir seit Jahren fordern«, sagte SPD-Vizefraktionschefin Simone Strohmayr und mahnte schnelles Handeln an. »Uns hat immer keiner geglaubt, aber vielleicht zeigt dieser Bericht jetzt endlich Wirkung«, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Christine Kamm. Sozialministerin Emilia Müller (CSU) will nun aktiv werden: »Es ist alarmierend, dass die Hälfte der Frauen abgewiesen werden müssen, das kann so nicht bleiben«, sagte sie in der Sitzung der Sozialausschusses.
Die Erlanger Professorin Schröttle gibt eine sehr präzise Schätzung, wie viele Frauen in Bayern im Laufe ihres Lebens sexuelle Gewalt erlebt haben: 1 048 809. Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich nicht feststellen, da die meisten Frauen keine professionelle Hilfe suchen. Ebenfalls geschätzt wendet sich nur ein Fünftel an eine Beratungsstelle, noch viel weniger gehen zur Polizei.
In Bayern gilt seit 1993 eine Richtlinie des Sozialministeriums, dass es einen Frauenhausplatz pro 10.000 Einwohnerinnen über 18 geben soll - diese Quote wird laut Studie sogar leicht überschritten. Die Wissenschaftlerinnen empfehlen wegen der hohen Zahl abgewiesener Frauen aber eine Aufstockung. Dem will Sozialministerin Müller nun offensichtlich nachkommen. Sie kündigte im Sozialausschuss ein »Gesamtkonzept« in Zusammenarbeit mit Gesundheitsministerium, Justizministerium und Kommunen an. dpa/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.