Kleiner Mann im Trabi

Vom Kesselbauer zum Kabarettisten und Schauspieler: Wolfgang Stumph. Von Jürgen Amendt

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Als 1991 die Komödie »Go Trabi Go« in die Kinos kam, dürfte das manchem westdeutschen Oberstudienrat vor Augen geführt haben, dass sich der im Jahr zuvor erfolgte Anschluss der DDR an die BRD nicht nur aufs Politische beschränken lässt und dass da etwas zusammenwächst, von dem nicht wenige schon damals der Meinung waren, dass es nicht zusammengehört. Da erlaubte sich doch dieser Udo Struutz aus Bitterfeld (schon der Name der Stadt klingt nach Luft- und Kulturverschmutzung), auf den Spuren Goethes durch Italien zu wandeln, und dies auch noch im Gewand eines den Dichterfürsten zitierenden, sächselnden Deutschlehrers. Der Bitterfelder Weg vom Proletarier zum Bildungsbürger - mit dem Trabi befahren.

Bis dato schieden sich die italienreisenden Nachkriegsdeutschen in zwei Typen: in den Massentouristen vom »Teutonengrill«, der sich nur für Sonne, Strand und italienischen Rotweinfusel interessiert, und in den Bildungsreisenden, der sich auf dem Forum Romanum vor seinem Nachwuchs aufbaut und über Seneca doziert. Wie der erstere Typus zu verstehen ist, zeigte Gerhard Polts Darstellung des teutonischen Billigurlaubers Erwin Löffler in »Man spricht deutsh« (1988). Udo Struutz war diesem Erwin Löffler mit seiner kleinbürgerlichen Unsicherheit und Angst vor der großen, weiten Welt, der zu Pasta Ketchup bestellt, sehr ähnlich - aber eben dann doch wieder nicht. Wenn Udo Struutz anfing zu sächseln, kam dabei Goethe heraus - und Neugier auf das, was sich jenseits des eigenen Horizonts befindet.

Für Wolfgang Stumph war Struutz die Rolle seines Lebens. Sie machte den Schauspieler und Kabarettisten auch dem westdeutschen Publikum bekannt. Stumph musste die Rolle des weltinteressierten, aber dennoch im heimischen Bitterfeld Verwurzelten, nicht lernen, er kannte sie von der Bühne des Dresdner Kabaretts »Die Herkuleskeule«. Seine Paraderolle dort: die des kleinen Mannes, eines Sachsen mit Witz, der seine Systemkritik hinter einfachen Sätzen versteckt, so dass die politische Macht ihm im Ernstfall nichts Schlimmeres - Systemgegnerschaft - unterstellen kann. »Neues Deutschland« bemerkte 1986 in einer Rezension eines Programms der »Herkuleskeule«, natürlich habe darin auch die Blödelei ihren Platz, hervorragend seien »die Auftritte von Richard, dem Toilettenmann (Wolfgang Stumph). Doch auch bei ihm wie in anderen ›Diskussionsreden‹, ist vordergründiger Witz geschickt mit philosophischem Hintersinn gepaart, der auf das Resümee gerichtet ist: Auf uns alle kommt es letztlich an.« Man mag es angesichts der Entwicklungen in Sachsen der vergangenen Jahre, den montäglichen Pegida-Aufmärschen mit den plumpen Parolen gar nicht glauben, aber es muss in der DDR diese Art von Sachsen wirklich gegeben haben.

Stumphs Künstlerbiografie ist eine, die für die DDR nicht untypisch ist. Der am 31. Januar 1946 im niederschlesischen Wünschelburg (heute Radków) Geborene, ist im Erstberuf Kesselbauer, im Zweitberuf hat er Ingenieurpädagogik studiert. Zur Schauspielerei kam er über das Studentenkabarett. Nach seiner Zeit bei der »Herkuleskeule« gelang ihm in den letzten Jahren der DDR der Sprung ins Unterhaltungsfernsehen. An der Seite von Gunther Emmerlich spielte er dort - den kleinen Mann, der sich über die Unbill der Verhältnisse aufregt. Dieser Rolle blieb er auch nach dem Trabi-Film treu: als Postbeamter Wolle Stankoweit in der Sitcom »Salto Postale« bzw. »Salto Kommunale«. Er hat diese Rolle nicht einmal für seine Darstellung des Kommissar Stubbe in der Krimi-Reihe »Stubbe - Von Fall zu Fall« verlassen. Verbrechern wie politischen Alleinherrschern kommt man nicht mit Poltern auf die Schliche, man muss sie überlisten.

Jürgen Amendt, Jahrgang 1965, ist Redakteur im Feuilleton des »nd«.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.