Zeremonie fürs Weltklima

In New York unterzeichneten 175 Staaten feierlich das Klimaabkommen

  • Benjamin von Brackel, New York
  • Lesedauer: 4 Min.
175 Staaten haben am Freitag in New York den Weltklimavertrag unterzeichnet. China kündigt an, das Abkommen schon im September zu ratifizieren.

Der französische Präsident François Hollande war der erste von 175 Ländervertretern, der am Tischchen mit der blauen Decke im UN-Hauptgebäude Platz nahm. Vor ihm liegt eine aufgeschlagene dicke Mappe, der erste weltumspannende Klimavertrag. Hollande blickt auf die erste von 197 Seiten zur Unterschrift - für jedes Land gibt es eine - und setzt mit staatstragender Miene den Füller aufs Papier.

»Wir müssen dafür sorgen, dass aus unseren Worten Taten werden«, hatte der Präsident eine Stunde zuvor noch im Saal erklärt. Zugleich rief er die Welt auf, den Pariser Klimavertrag schnell zu ratifizieren. Frankreich peile den Sommer an. Er hoffe, dass die EU Ende des Jahres ratifizieren werde, sagte Hollande. »Lasst uns dafür sorgen, dass kommende Generationen mit Stolz auf uns zurückblicken.«

Was steht im Abkommen?

Das im Dezember 2015 in Paris verabschiedete Abkommen sieht vor, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Zudem soll in der zweiten Jahrhunderthälfte eine »Treibhausgasneutralität« erreicht werden. Die Welt darf dann nicht mehr Treibhausgase emittieren, als wieder absorbiert wird, etwa durch Aufforstung oder die umstrittene Risikotechnologie des Carbon Capture and Storage (CCS), bei der Kohlendioxid unterirdisch gelagert wird. Der Vertrag verpflichtet außerdem alle Länder der Welt, ihre CO2-Emissionen zu begrenzen. Zuvor mussten nur Industrieländer Klimaschutz betreiben, alle anderen – also auch große Verschmutzer wie China oder Indien – waren befreit. Das Paris-Abkommen gilt daher als historisch.

Damit das Abkommen tatsächlich in Kraft treten kann, müssen es mindestens 55 Staaten ratifizieren, die zusammen mindestens 55 Prozent des Treibhausgasausstoßes verursachen.nd

Nach Hollande durften zunächst die 15 Ländervertreter reden, die bereits ihre Instrumente für eine Ratifizierung des Abkommens hinterlegt haben, darunter vor allem Inselstaaten wie die Marshallinseln, Granada, Nauru, Palau und Fidschi. Zu den Ländern, die das Paris-Abkommen schon durch ihre nationalen Parlamente bestätigen ließen, gehören aber auch Palästina und Somalia.

Chinas Vizepremier Zhang Gaoli kündigte an, sein Land werde noch vor dem G20-Treffen im September in Hangzhou das Klimaabkommen ratifizieren. Und US-Außenminister John Kerry, der von seiner Enkelin begleitet wurde, erklärte: »Ab heute sind wir auf dem Vormarsch, für unsere Kinder und Enkelkinder.«

Möglicherweise ihren letzten großen Auftritt auf der Weltbühne hatte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. Sie forderte, nach den ehrgeizigen Ankündigungen nun konkrete Ergebnisse zu liefern. »Die Unterzeichnung ist nur der erste Schritt«, erklärte Rousseff. »Der einfachste.«

Die politische Krise zu Hause und die Forderungen nach einer Amtsenthebung hatten sie bis vor das UN-Gebäude begleitet. Die einzige Demonstration vor der gesperrten First Avenue bestand vor allem aus ein paar Dutzend Brasilianern, die auf Bannern und Schildern dem Klimawandel und den Koch-Brüdern den Kampf ansagten und zugleich Rousseff den Rücken stärkten. Ein paar Meter weiter protestierten die Rousseff-Gegner.

Neben der Brasilianerin traten eine Reihe weiterer Staats- und Regierungschefs auf, darunter der italienische Premier Matteo Renzi und der kanadische Premier Justin Trudeau, der mit viel Applaus begrüßt wurde. Am Ende aber war es kein Politiker, der Klartext redete, sondern ein Schauspieler. »Ja, wir haben das Paris-Abkommen erreicht, das ist ein Grund zur Hoffnung«, sagte Leonardo DiCaprio. »Aber es reicht nicht aus. Wir können nur bestehen, wenn wir die fossilen Energiequellen im Boden lassen, wo sie hingehören. Jetzt ist die Zeit für kühnes, beispielloses Handeln. Nach 21 Jahren Debatten dürfen wir keine Ausreden mehr zulassen, keine weiteren Zehnjahresstudien, keine Manipulationen der fossilen Energiekonzerne.«

»Wir brechen Rekorde in dieser Halle, aber wir brechen auch Rekorde außerhalb davon«, sagt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und spielt damit auch auf die Rekordtemperaturen in den ersten drei Monaten des Jahres an. Die Botschaft: Trotz des Anlasses für die Feierlichkeiten gebe es keinen Grund, schon zufrieden zu sein.

Am Donnerstag hatte eine Gruppe von Klimaanalysten in New York gewarnt, dass die Welt noch nicht auf dem Weg zum rettenden Ufer sei. »Wir bewegen uns in die entgegengesetzte Richtung«, erklärte Fabio Sferra vom Berliner Institut Climate Analytics. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsse die Welt in wenigen Jahrzehnten nicht nur keine Emissionen mehr ausstoßen, sondern zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre filtern.

Zunächst allerdings müsse die größte CO2-Quelle reduziert werden - die Verbrennung von Kohle. »Bis 2030 müssen wir die weltweite Kapazität um 70 Prozent senken«, sagte Sferra. Doch derzeit passiere leider das Gegenteil: 2500 neue Kohlekraftwerke seien weltweit geplant. »Das würde ein Festschreiben der Emissionen für viele Jahre bedeuten.«

Mitte vergangener Woche hatten in London mehr als 400 Investoren, die Vermögenswerte von 24 Billionen Dollar vereinen, die Staats- und Regierungschefs der Welt aufgerufen, nicht nur das Klimaabkommen zu unterzeichnen, sondern sich auch für eine schnelle Ratifizierung durch die nationalen Parlamente einzusetzen. Erst wenn mindestens 55 Prozent der Staaten, die für 55 Prozent des Treibhausgasausstoßes stehen, das Abkommen ratifiziert haben, tritt es in Kraft.

»Die Welt wird diese Bedingung erfüllen«, sagte Ki-moon, »wenn alle 175 Länder, welche heute unterzeichnet haben, den nächsten Schritt auf nationaler Ebene gehen und dem Abkommen beitreten.«

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