Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie
»Da geht noch mehr«: Vorschläge für eine offensive Strategie der Linkspartei. Dokumentation eines Papiers von Katja Kipping und Bernd Riexinger
I. Am Scheideweg – Autoritäre Entwicklung oder Revolution der Gerechtigkeit?
In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, in welche Richtung sich diese Gesellschaft bewegt. Sie steht an einem Scheideweg: Zwischen rechter Hetze und neoliberaler Konkurrenz auf der einen Seite, Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Werden größere Teile der Erwerbslosen, Prekären, Geringverdienenden und die abstiegsbedrohte Mittelschicht sich den Rechtspopulisten zuwenden und damit den Weg für eine noch unsozialere, autoritäre und antidemokratische Entwicklung bereiten? Oder gelingt es, Konkurrenz und Entsolidarisierung zurückzudrängen und ein gesellschaftliches Lager der Solidarität zu bilden? Diese Fragen stehen nicht erst seit dem tiefen Einschnitt in der politischen Landschaft, den die Landtagswahlen im März 2016 darstellen, im Raum. Sie verweisen darauf, wie wichtig es ist, dass es eine starke LINKE gibt.
Der Wahlerfolg der AfD ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Wir erleben einen gefährlichen Anstieg rechter Gewalt. Der politische Diskurs der »Mitte« verschiebt sich nach rechts. Die Große Koalition tut alles dafür, soziale Fragen aus der öffentlichen Diskussion herauszudrängen – das ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Als LINKE haben wir bei starkem Gegenwind im Wahlkampf eine Niederlage erlitten: In Sachsen-Anhalt haben wir deutliche Verluste hinnehmen müssen, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hat sich gezeigt, dass die Verankerung der Partei in der Fläche noch zu schwach ist.
Das Alarmsignal des Wahlsonntags ist, dass die AfD in Sachsen-Anhalt wie Baden-Württemberg stärkste Partei bei den Erwerbslosen und bei den Arbeiter_innen geworden ist, und auch viele gewerkschaftlich orientierte Beschäftigte AfD gewählt haben. Diese Menschen sind nicht alle rassistisch oder nationalistisch – aber sie stärken eine rassistische und rechtspopulistische Partei. Seit ihrer Gründung liegt die besondere Funktion der LINKEN darin, die Interessen der Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und Menschen mit geringen Einkommen stark zu machen und mit ihnen für Verbesserungen ihrer Lage zu kämpfen. Rico Gebhardt hat die zentrale Herausforderung auf den Punkt gebracht: »Den größten Beitrag, den wir als Linke gegenwärtig gegen den Rechtstrend leisten können, ist, wenn wir die Arbeiterschaft und die Arbeitslosen zurückgewinnen. Das ist eine soziale Herausforderung mit hohem antifaschistischen Effekt!«
Zugleich hat sich mit den Wahlen vom März eine erfreulich Entwicklung der letzten Jahre fortgesetzt: DIE LINKE wächst in den Großstädten, wo sich ein junges linkes Milieu herausbildet.
Gerade bei jungen Menschen erleben wir wachsenden Zuspruch und gewinnen neue Mitglieder. Entlang der Flüchtlingssolidarität, des Kampfes gegen Rassismus, rechte Gewalt, gegen TTIP und Waffenexporte, für Klimagerechtigkeit und eine Kritik am Kapitalismus politisieren sich gerade viele Menschen. Die Frage, ob wir nun in der Flüchtlingspolitik unsere Grundsätze aus zweifelhaften wahlstrategischen Überlegungen über Bord werfen sollen, stellt sich nicht. Dann würden wir nicht nur die vielen Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, wieder verlieren, wir würden auch unsere Grundwerte der Menschenrechte und Demokratie verraten – und den gleichen Fehler machen wie die SPD. Das würde am Ende nur die Rechten stärken. Unsere Positionen für Bewegungsfreiheit und gegen die Festung Europa sind klar, nicht erst seit dem Erfurter Programm. Sie stehen ebenso wenig zur Disposition wie unsere grundlegende Opposition zur Austeritätspolitik. Wir geben weder unsere Positionen auf noch die Menschen. Wir sind antirassistisch und antifaschistisch, das ist unverhandelbar.
Es ist ein gutes Zeichen, dass sich bereits eine lebhafte Debatte entwickelt hat, wie die Rechtsentwicklung gestoppt werden kann und wie wir wieder mit solidarischen Perspektiven für alle Menschen in diesem Land in die Offensive kommen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, müssen auch bestehende Strategien und Botschaften, z.B. in Landtagswahlkämpfen, auf den Prüfstand. Entscheidend ist, dass wir das kritisch-solidarisch und konstruktiv tun und am Ende zu einem gemeinsamen Auftreten kommen.
In dieser Situation stehen wir vor der Herausforderung, unsere Rolle in der Gesellschaft neu zu finden und uns weiterzuentwickeln. Denn SPD und Grüne sind von sozialer Gerechtigkeit derzeit weiter entfernt als je zuvor, es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr. Mehr noch: SPD und Grünen haben sich offenbar mit ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer in einer ‚marktkonformen Demokratie‘ (Merkel) abgefunden. Wir sind nicht Teil des Merkel-Lagers, wir stehen gegen Neoliberalismus wie gegen Rechtspopulismus.
Das gesellschaftliche Lager der Solidarität gibt es noch nicht. Aber es gibt die vielen Menschen, die für bessere Arbeitsbedingungen und bezahlbare Mieten, gegen prekäre Arbeit und die Gängelung in den Jobcentern kämpfen. Die sich gegen rechte Gewalt, Rassismus und in der Unterstützung von Geflüchteten engagieren. Es gibt die vielen Menschen, die durch den reaktionären Kulturkampf der AfD gegen Feminismus, Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Selbstbestimmung in ihrer Lebensweise bedroht werden. Es gibt die vielen Menschen, die sich um den Zustand von Demokratie, Bürger- und Menschenrechten in Europa sorgen. Die sich für Klimagerechtigkeit und einen gerechten Welthandel engagieren. Und es gibt die Millionen Menschen, die sich über die Bereicherung weniger auf Kosten der Mehrheit empören. Diese Vielen können das »Lager der Solidarität« bilden, wenn sie ihr Gemeinsames finden. Als linke Partei haben wir die Aufgabe, zur organisierenden Kraft einer solchen gesellschaftlichen Strömung zu werden.
Um ein Bollwerk gegen Rechtspopulismus wie Neoliberalismus zu bilden, müssen wir den Resonanzraum für linke Alternativen in der Gesellschaft erweitern. Wir haben in den letzten Jahren die Idee der »verbindenden Partei« entwickelt. Diese Idee ist aktueller denn je: Wer anders als wir, DIE LINKE, könnte diese Funktion der Verbindung der Vielen für einen Kampf um eine soziale Demokratie übernehmen? Verbindende Partei bedeutet in dieser gesellschaftlichen Situation, dass wir daran arbeiten, das Gemeinsame zwischen einem jungen urbanen linken Millieu, Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und den Millionen Beschäftigten, die sich um ihre Rente im Alter sorgen und die sich ein Leben ohne Dauerstress und Existenzangst wünschen, herauszubilden.
Aber alleine als Partei werden wir das nicht schaffen. Um die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verändern, müssen wir stärker als bislang die Botschaft ausstrahlen: »Keine Partei kann allein die Gesellschaft verändern, aber gemeinsam können wir uns auf den Weg machen. Lasst uns gemeinsam mit den vielen Menschen ein gesellschaftliches Lager der Solidarität gegen Dauerstress und Existenzangst, gegen die Bereicherung und kriminelle Steuerflucht der Super-Reichen, gegen Rassismus und rechte Gewalt bilden. Es geht um eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt.«
Denn: Soziale Rechte, Demokratie und Weltoffenheit sind heute nur noch im Vorwärtsgang zu verteidigen. Um in diesen Zeiten gegen die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen Weniger die drohende Zerstörung der Demokratie zu verhindern und eine soziale Demokratie zu verwirklichen, braucht es nicht weniger als eine Revolution. Revolution? Wir sind uns bewusst, was »soziale Revolution« bedeutet: radikale Umwälzung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und aller gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen Menschen ausgebeutet, erniedrigt und unterdrückt werden. Eine solche Umwälzung steht in Deutschland derzeit nicht auf der Tagesordnung. Durch dreißig Jahre einer neoliberalen »Revolution von oben«, in der Unsicherheit und Konkurrenz entfesselt wurden, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört worden. Wir dürfen Protest nicht den rechten Hetzern überlassen, die keine Lösungen haben, außer nach »unten« zu treten. In dieser gefährlichen Situation müssen wir als LINKE eine klare Botschaft ausstrahlen: Es darf kein »Weiter so« geben. Kleine Kurskorrekturen innerhalb des neoliberalen Kapitalismus reichen nicht. Wir brauchen einen grundlegenden Wandel. Nur eine »Revolution der Gerechtigkeit« kann verhindern, dass Millionen Menschen im Alter in Armut leben und Millionen Kinder in Armut aufwachsen. Nur eine Revolution der Gerechtigkeit kann gute Gesundheitsversorgung, Bildung und bezahlbares Wohnen für alle durchsetzen. Gute Arbeit, Sicherheit, ein gutes Leben im Alter, der garantierte Schutz vor Armut und das Recht auf Teilhabe auch im Fall der Erwerbslosigkeit – das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten in einem reichen Land. Heute sind sie es nicht mehr. Wir müssen sie als soziale Garantien für alle Menschen erkämpfen.
II. Zum notwendigen Kampf gegen rechts
Der Blick nach Europa zeigt: Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa ist nur vor dem Hintergrund der Ausbreitung unsicherer Arbeit- und Lebensverhältnisse und der Entfesselung von Konkurrenz im Alltag zu verstehen. Die Rechten stoßen in die Lücke, die die Sozialdemokratie mit ihrem neoliberalen Kurs hinterlassen hat. In Deutschland hat sich die Verunsicherung bis in die Mittelschichten hinein über mehr als zwei Jahrzehnte aufgebaut. Dafür wie für das jahrzehntelange Ausbluten-Lassen der ostdeutschen Regionen sind in Deutschland CDU/CSU, FDP sowie große Teile von SPD und Grünen verantwortlich. Kampf gegen rechts heißt daher auch immer, den sozialen Nährboden für rechte Politik auszutrocknen. Neoliberale Politik hat durch systematische Kürzungspolitik strukturschwache Regionen (insbesondere, aber nicht nur) in Ostdeutschland »verfallen« lassen. Menschen erfahren durch den Fortfall öffentlicher Daseinsvorsorge konkret, was es heißt, »sich nicht zu rechnen«. Die seit Jahren andauernde Spirale von Strukturschwäche und Schrumpfung verschärft die Angst der Menschen, »abgehängt« zu sein. Sie nimmt ihnen Lebenschancen und verwüstet den sozialen Zusammenhalt. Wir knüpfen an den Kampf der PDS und an den sozialen Verfassungsauftrag an, gleiche Lebensbedingungen in allen Teilen der Bundesrepublik herzustellen. Das gilt für die immer noch bestehende Rentenungerechtigkeit nach mehr als 25 Jahren deutscher Einheit ebenso wie für ungleiche tarifliche Regelungen. Nicht zuletzt lassen wir weder ostdeutsche Biografien noch bestehende soziale Infrastruktur entwerten.
Die Frage der sozialen Gerechtigkeit muss offensiv beantwortet werden: indem wir den Finger in die Wunde legen, Alternativen benennen und Verantwortliche markieren. Im Mittelpunkt muss die Frage stehen, wie wir gerade die Erwerbslosen und Beschäftigten ansprechen und für unsere sozialen Forderungen gewinnen können. Etwa die Hälfte derjenigen mit niedrigen Einkommen, die im März AfD gewählt haben, kann sich vorstellen, beim nächsten Mal (wieder) DIE LINKE zu wählen. Dabei ist die Umverteilung des Reichtums der Knackpunkt: Wenn die Menschen nur die Erfahrung machen, dass der zu verteilende »Kuchen« gleich bleibt, werden Konkurrenz und Entsolidarisierung gefördert, werden Verteilungskämpfe über Spaltungen und Rassismus ausgetragen. Dem setzen wir den Verteilungskampf gegen die Superreichen und Profiteure von Armut und Ungerechtigkeit entgegen.
Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Resonanzboden für rechtspopulistische Positionen kurzfristig kleiner wird. In den nächsten Monaten wird die AfD vermutlich die Integration von Flüchtlingen zur Gefahr für die Sicherheit stilisieren und die rassistische Hetze gegen Muslime verstärken. Darauf müssen wir vorbereitet sein und den »Kampf um die Köpfe« aufnehmen. Deswegen sind breite gesellschaftliche Bündnisse gegen Rassismus und die praktische Solidarität mit Geflüchteten so wichtig. Bisher konnte weder die Regierung noch eine andere Partei mit einem überzeugenden Integrationskonzept aufwarten. Es liegt an uns, ein Programm für eine sozial gerechte Einwanderungsgesellschaft zu erarbeiten, dass auf Teilhabe, Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit für alle beruht. Dazu gehören die Verkürzung der Arbeitszeit, soziale Garantien und Bildungsgerechtigkeit ebenso wie die radikale Besteuerung der Reichen. In unserem Kampf für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft wagen wir, was andere sich nicht trauen: die Konfrontation mit den Reichen, um eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Dann ist ein Mehr für alle möglich.
Der Kulturkampf der AfD im Namen von Nation, Familie und Autorität greift auch die Errungenschaften der Frauenbewegung und der 1968er an: gegen die Gleichberechtigung der Frauen, gegen Rechte der Schwulen und Lesben, gegen eine Vervielfältigung der Geschlechterrollen und Familienformen. Wir werden diese Angriffe zurückweisen: Es geht darum, einen offensiven »Kulturkampf« von links zu führen, der die Frage stellt: In welcher Gesellschaft wollen wir leben, wie sieht ein gutes Leben aus? Anders als liberale Positionen machen wir deutlich: Eine plurale und (welt-)offene Gesellschaft muss auch eine solidarische Gesellschaft sein – dafür braucht es aber soziale Sicherheit für alle Menschen und umfassende Demokratisierung.
III. Eine Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie
III.a Empörung von links besetzen und die soziale Gerechtigkeitsfrage zuspitzen
Der Neoliberalismus ist auch mit dem Versprechen der Gerechtigkeit angetreten. Diese Versprechen erweisen sich heute als organisierte Lügen und Illusionen. Die Gesellschaft sollte gerechter werden, wenn alle Arbeit finden – dafür wurden jahrelang die Löhne gesenkt, Sicherheit für Beschäftigte durch Flexibilitätsdruck und Dauerstress ersetzt. Leistung sollte sich wieder lohnen und Gerechtigkeit vor allem durch die vielen Steuersenkungen für Reiche, Kapitaleigentümer und leistungslose Erb_innen entstehen – das Ergebnis ist, dass heute das 1% der reichsten Menschen in Deutschland über ein Drittel des gesellschaftlichen Reichtums verfügt, während die Hälfte der Bevölkerung gar kein Vermögen mehr hat. Und die organisierte Kriminalität der Steuerflucht der Reichen ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Superreichen bilden Parallelgesellschaften, in denen Solidarität und Demokratie nur noch als Hemmnisse für ihre weitere Bereicherung gelten. Der Sozialstaat sollte gerechter werden, indem alle sich selbst vor den Risiken von Krankheit, Erwerbslosigkeit und Altersarmut schützen und sich für die eigene Wohnung verschulden. Wenn jeder seines eigenen Glückes Schmid sei, schaffe die Konkurrenz auf dem Markt Gerechtigkeit. Der Markt schafft aber keine Gerechtigkeit, sondern Altersarmut, Wohnungsnot und einen Pflegenotstand in unseren Krankenhäusern.
- Eine Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie fängt an mit einer Kampfansage an die Wenigen, die unermesslichen Reichtum, Vermögen und Macht auf Kosten der Mehrheit der Menschen angehäuft haben. Wir nennen die Namen derjenigen, die von prekärer Arbeit, Armutslöhnen, steigenden Mieten und Pflegenotstand in den Krankenhäusern profitieren. Arme sterben früher – auch weil Reiche ihr Geld ins Ausland schaffen. Der aktuelle Skandal um die Briefkastenfirmen in Panama zeigt, dass wir die Steueroasen austrocknen, die organisierte Steuerhinterziehung der Reichen und Konzerne bekämpfen und den von den Arbeitenden produzierten Reichtum zurück umverteilen müssen. Wir kämpfen für eine radikale Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die gesellschaftliche Kontrolle über die Banken und die Schrumpfung der Finanzmärkte. Eine radikale Umverteilung des Reichtum ist die Grundlage dafür, dass wir die drängenden gesellschaftlichen Probleme lösen können: die Armut bekämpfen, in gute Gesundheitsversorgung, Bildung und bezahlbare Wohnungen für alle investieren, den ökologischen Umbau der Wirtschaft und die erneuerbare Energiewende voranbringen, Integration sozial gerecht gestalten und Fluchtursachen bekämpfen können.
- Eine Revolution der Gerechtigkeit richtet sich an die Millionen Beschäftigten im Land. An diejenigen, die in prekärer Arbeit, mit Hartz IV oder Niedriglöhnen ihre Zukunft nicht mehr planen können. Sie richtet sich an die vielen Beschäftigten, die unter Dauerstress leiden und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein unerfüllter Traum geblieben ist. Wir kämpfen für eine Revolution der Arbeit: Arbeit muss für alle Menschen sicher, kürzer, geschlechtergerecht und gerecht verteilt, selbstbestimmt und demokratisch gestaltet sein. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg: für eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns, steigende Löhne und eine Stärkung der Tarifverträge, für sichere Arbeit statt Befristungen, Leiharbeit und Werkverträge. Zu den anstehenden Kämpfen um Zeit gehört eine Initiative zur Arbeitszeitverkürzung und -umverteilung: das kann über die gesetzliche Wochenhöchstarbeitszeit, über das Recht auf Sabbaticals für alle und über die Schaffung existenzsichernder Teilzeit und »kurzer Vollzeit« statt Minijobs erfolgen.
- Eine Revolution, die Armut beseitigt, Teilhabe gewährleistet, gute Renten, gute Gesundheitsversorgung und Pflege, gleichen Zugang zu Bildung und bezahlbares Wohnen für alle schafft. Dies sind die sozialen Garantien des Lebens, die eine soziale Demokratie auszeichnen. Sie sind für uns nicht verhandelbar, aber sie müssen gemeinsam erkämpft werden.
Aktuelle Untersuchungen belegen, dass trotz Wirtschaftsaufschwung Armut und Kinderarmut zunehmen und das Risiko der Altersarmut längst die Durchschnittsverdienenden erreicht hat. Fast jeder und jedem Zweiten, die und der ab 2030 in Rente geht, droht eine Rente unterhalb der Armutsgrenze. Mit unseren Konzepten für eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV in Höhe von 1050 Euro, für eine Grundsicherung für alle Kinder und für eine solidarische Mindestrente könnte Armut in einem reichen Land sofort beseitigt werden. Das Rentenniveau muss dringend angehoben, die Rente mit 67 und die Privatisierung durch die gescheiterte »Riester-Rente« müssen zurückgenommen werden. Bei der Rentenversicherung muss ebenso wie bei der Gesundheitsversicherung das Zwei-Klassen-System aufgehoben werden und einer solidarischen Versicherung für alle Menschen weichen. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum betrifft Millionen Menschen in diesem Land. In den Krankenhäusern herrscht Personalmangel und Burn-out der Beschäftigten. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss dringend ausgebaut werden. Bei Wohnen, Bildung, Gesundheits- und Energieversorgung haben Markt und Wettbewerb nichts verloren, sie müssen in öffentlicher und demokratischer Verfügung organisiert werden.
- Eine Revolution für Demokratie verteidigt die Errungenschaften der parlamentarischen Demokratie gegen Neoliberalismus und rechten Autoritarismus. Aber sie geht darüber hinaus. Die sozialen Grundlagen der Demokratie wurden in den letzten Jahren durch eine Politik im Interesse der Kapitaleigentümer und Vermögenden ausgehöhlt. Der Parlamentarismus funktioniert immer weniger im Interesse der Beschäftigten und der Mehrheit der Bevölkerung. Soziale Demokratie heißt auch, mehr Demokratie zu wagen in der Arbeit und der Wirtschaft und die Verfügung über den gesellschaftlichen Reichtum den Besitzern großer Vermögen zu entreißen. Durch Zukunftsinvestitionsprogramme zum Aufbau öffentlichen und genossenschaftlichen Eigentums (z.B. Wohnungsbaugenossenschaften), finanziert durch radikale Besteuerung der Profite und Vermögen, kann Demokratie ein Stück weit zurückerobert werden. Auch dort, wo Belegschaften um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und Standorte kämpfen, werden wir die Förderung genossenschaftlicher und belegschaftseigener Betriebe stark machen. Den dringend notwendigen ökologischen Umbau von Industrie, Energieversorgung und Mobilität verbinden wir mit Schritten zum Ausbau der Demokratie in der Wirtschaft.
- Eine Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie setzt dem Europa der Banken und Konzerne eine »konkrete Utopie« eines demokratischen, sozial gerechten und friedlichen Europas »von unten« entgegen. Angesichts der Verankerung neoliberaler Politik in den Institutionen und der Verfassung der EU – und gerade angesichts der Erfahrung der Erpressung der linken Regierung und der de-facto-Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie in Griechenland – ist eine radikale Kritik der EU dringend erforderlich. Wir kämpfen dafür, dass die sozialen Garantien europaweit Verfassungsrang bekommen und Freihandelsabkommen wie TTIP gestoppt werden.
III.b Was wir von Corbyn, Sanders und Podemos lernen können
Es braucht nicht weniger als eine Revolution, um Gerechtigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung für alle und eine wirkliche Demokratie, die sich nicht auf das Parlament beschränkt, sondern auch Arbeit und Alltag umfasst, durchzusetzen. Dabei können wir von den Mobilisierungserfolgen von Corbyn und Sanders lernen: Menschen sind für gemeinsames Handeln zu begeistern, wenn sie aktiv einbezogen werden. Der Aufschwung neuer Bewegungen wie Podemos und der Indignados in Spanien oder aktuell der »Nuit debout« in Frankreich zeigen: Die Zeit ist reif für einen Aufbruch. Für uns als LINKE in Deutschland stellt sich damit die Herausforderung, unsere Politik zu erneuern und stärker die (Selbst-)Organisierung der Menschen zu fördern. Die gesellschaftlichen Aufbrüche, die mit Corbyn, Sanders oder auch Podemos verbunden werden, zeigen, dass vor allem unter jungen Menschen die Kritik am Kapitalismus an Anziehungskraft gewinnt. Dabei geht es nicht in erster Linie um charismatische Persönlichkeiten, entscheidend ist der Aufbruch an der Basis, die Bildung einer gesellschaftlichen Bewegung. Sanders‘ Botschaft lautet: Für eine Zukunft, an die es sich zu glauben lohnt und für die es sich zu kämpfen lohnt. Es geht um eine Kampfansage an die neoliberale politische Elite.
Wir sind die Partei des sozialen Protests gegen ungerechte Verhältnisse in diesem Land. Deshalb unterbreiten wir den Menschen ein Angebot, das sich grundlegend von dem rassistischen Angebot der AfD unterscheidet. Das Angebot, gemeinsam für eine soziale Demokratie zu kämpfen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft durch soziale Garantien für alle sichert. Sicherheit für alle Menschen – das ist eine wirkliche Alternative für dieses Land: Armut beseitigen, gute Renten und bezahlbare Wohnungen, gute Gesundheitsversorgung und Pflege, gleicher Zugang zu Bildung für alle. Es ist das Angebot, sich mit uns auf den Weg einer Revolution der Gerechtigkeit zu machen.
Als LINKE haben wir auch die Funktion, die Resonanzräume für Kapitalismuskritik in der Gesellschaft auszuweiten und Alternativen populär zu machen. Wir haben mit unserem Manifest »Die kommende Demokratie: Sozialismus 2.0« Einstiege in eine »völlig neue Weise des Produzierens, Lebens und Arbeitens« vorgeschlagen. »Es geht um eine Revolution des Denkes, Fühlens und Handelns. Kern eines solchen Projektes ist immer noch die Umwälzung der herrschenden Produktions-, Reproduktions- und Eigentumsverhältnisse und die Verwandlung der Produktivkräfte und der technologischen Innovation in Mittel für die kollektive Selbstbestimmung: die Verfügung der Menschen über die Bedingungen, in denen sie leben und arbeiten«.
Lange war die Funktion der LINKEN im Parteiensystem und für Wählerinnen und Wähler dadurch bestimmt, dass wir die SPD, in Teilen auch die Grünen, getrieben haben. Wenn es aber kein linkes Lager gibt und die SPD im Niedergang ist, müssen wir unsere Funktion in der Gesellschaft, unsere Rolle im Parteienspektrum neu definieren. Wir müssen uns als offensive und konstruktive Kraft für eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung begreifen – das meint mehr, als Opposition zu sein, und doch etwas anderes, als sich als bloßes Korrektiv einer Mitte-links-Regierung zu verstehen. Wir sind keineswegs bereit, SPD und Grüne aus der Verantwortung zu entlassen, gemeinsam für soziale Gerechtigkeit und mehr Demokratie zu sorgen.
Die Hegemoniefrage von links stellen heißt eben nicht, staatstragend aufzutreten. Es heißt vielmehr, der Postdemokratie einen Gestaltungsanspruch im Alltag gegenüberzustellen. Der vermeintlichen Alternativlosigkeit der Großen Koalition und dem rechten »Gesellschaftsentwurf« der Ausgrenzung und Verrohung setzen wir einen linken Gesellschaftsentwurf für eine solidarische Gesellschaft entgegen. Neben dem politischen Willen in den Parteien (also einem grundlegenden Kurswechsel bei SPD und Grünen) braucht es vor allem gesellschaftliche Mehrheiten für gemeinsame Projekte und die Macht, durch gemeinsame Mobilisierung mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zentrale Einstiegsprojekte auch gegen massiven Widerstand der Superreichen durchsetzen zu können. Michael Brie hat eine Strategie der »linken Regierung« vorgeschlagen. Daran können wir anknüpfen und eine Alternative zum neoliberalen Kapitalismus, eine Agenda für eine Regierung im Interesse der 90% entwickeln, für die wir in den nächsten zehn Jahren um gesellschaftliche Mehrheiten ringen.
IV. Wo wir stehen – eine knappe Bilanz auf dem Weg zur »verbindenden Partei«
IV.a. Die Parteineugründung vollenden – Ankunft in der neuen LINKEN
Als WASG und PDS sich auf den Weg der Parteineugründung machten, wurden die Weichen für eine bundesweite Verankerung einer Partei links von der SPD gestellt. Wir beide haben diesen Weg von Anfang an mit Begeisterung begleitet. Uns einte die Überzeugung, dass die neue Partei mehr sein musste als die bloße Addition von zwei Teilen. Diesem Ziel, die Partei DIE LINKE so aufzustellen, dass das Neue, das größere gemeinsame Projekt wahrnehmbar ist, fühlten wir uns von Anfang an verpflichtet. Nun, nach vier Jahren, können wir sagen: Wir sind gemeinsam ein gutes Stück weiter gekommen. Dazu gehört ein anderer Umgang mit Konflikten. Konflikte sind für unsere Arbeit wichtig. Entscheidend ist jedoch: Wie werden die Konflikte nach vorne, konstruktiv gewendet? Wie können die Vertreter_innen unterschiedlicher Auffassungen sich um gemeinsame Ziele zusammenfinden?
Wir haben viel dafür gearbeitet, dass eine neue Kultur des Umgangs und der Diskussion gestärkt wird. Unsere Amtszeit begann mit einer Offensive des Zuhörens nach der Devise, die Mitglieder müssen sich stärker einbringen können. Die Aufgabe der Parteiführung ist es, die unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, sie sind verschiedene Antworten auf ein und dieselbe gemeinsam zu klärende Frage. DIE LINKE als linkspluralistische Partei ist in besonderem Maße auf ein solches Verständnis angewiesen. Alle, die die Partei auf unterschiedlichen Positionen führen, im Ortsverein, in Fraktion und Vorständen, sind auf diese Haltung angewiesen, um Differenzen nicht zu Gräben auszuweiten und gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Angesichts der großen Herausforderungen müssen wir uns alle ein Stück weit verändern, mit unseren Kräften sorgsamer umgehen, stärker gemeinsame Schwerpunkte bestimmen und dann unsere Kraft in ihre Umsetzung stecken!
IV.b. Verbindende Partei – Kräfte bündeln für gesellschaftliche Veränderung
Es geht aber nicht nur um den produktiven Umgang mit Differenzen innerhalb unserer Partei. Es geht um eine Strategie zur Bündelung der Kräfte für gesellschaftliche Veränderung. Im Neoliberalismus werden Kernbelegschaften gegen Leiharbeiter, Prekäre gegen Langzeiterwerbslose, Prekäre und Erwerbslose mit deutschem Pass gegen Geflüchtete ausgespielt. Mit dem Kampf gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse haben wir einen strategischen Anker entwickelt, der ein solidarisches gesellschaftliches Bündnis ermöglichen soll.
Diese Überlegung steht auch hinter der Kampagne »Das muss drin sein.«. Sie soll Widerstand organisieren, gegen die neoliberalen Zumutungen des Alltags. Und dass es darum gehen muss, einen alltagsnahen, kämpferischen linken Gegenpunkt zu setzen. Seitdem haben viele hundert kleinere Aktionen stattgefunden. Aber selbstkritisch müssen wir sehen, dass der Prozess der Kampagne noch am Anfang steckt. Wir wollen daher mit euch, der gesamten Partei, gemeinsam diskutieren, wie wir ein bis zwei unserer Forderungen gesellschaftlich mehrheitsfähig machen und für ihre Durchsetzung mobilisieren können. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, die Kampagne zu einem Baustein der Bildung eines gesellschaftlichen Lagers der Solidarität und zu einem lebendigen Prozess der Organisierung neuer Aktiver zu machen.
Um die Verankerung der Partei zu verbessern, haben wir verschiedene Foren geschaffen: die LINKE Woche der Zukunft, die bundesweite Friedenskonferenz, die Feministische Offensive, zahlreiche Ratschläge und Gesprächskreise mit Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Intellektuellen und Künstler_innen. Wir haben begonnen, gezielt junge Menschen zu fördern und einzuladen, sich die Partei zu eigen zu machen. Diesen Weg wollen wir weitergehen.
V. Die nächsten Schritte auf dem Weg zur verbindenden Partei
Vieles wurde begonnen, aber ist damit schon ein Neuanfang gelungen? Veränderungen verlaufen langsam, gerade wenn wir alle mitnehmen wollen. Und das wollen wir. Gleichzeitig kann es leicht geschehen, dass die Geschwindigkeit gesellschaftlicher Veränderungen die manchmal mühseligen Prozesse in großen Organisationen überholt. Das kann eine Spannung, eine Bedrohung sein. Wenn wir die notwendige Weiterentwicklung klug, mutig und solidarisch angehen, kann sie aber auch einen Schub in die notwendige Richtung verleihen. Wenn uns das gemeinsam gelingt, wird die aktuelle Situation weniger eine Krise als vielmehr eine Chance für einen linken Aufbruch sein.
Die Partei DIE LINKE sieht sich nicht als Stellvertreterpartei, sondern als Organisation, die den Menschen in ihren Kämpfen für höhere Löhne und soziale Rechte, mehr Demokratie und Klimagerechtigkeit nützlich ist. DIE LINKE ist in einigen Orten an der Basis längst gesellschaftliche Partei. Aber da geht noch mehr.
Wir schlagen daher eine Gesamtstrategie vor, um die gesellschaftliche Verankerung der Partei zu stärken und unsere Parteikultur einer aktiven Mitgliederpartei weiterzuentwickeln. Entscheidend ist dabei, dass wir in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen (etwa um steigende Mieten, gegen die Privatisierung des örtlichen Krankenhauses) aktiv präsent sind und Menschen einladen, gemeinsam mit uns aktiv zu werden, um konkret etwas zu verändern. Es geht also nicht nur um die richtigen Forderungen, sondern darum, Prozesse praktisch (mit) zu organisieren: eine Politik zum Mitmachen, eine Politik, die vor Ort organisiert, in den Betrieben, Stadtteilen und Familien spürbar ist. Eine Politik, die den Menschen Mut macht, zusammen mit anderen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Mit der Unterstützung von Streiks und Mietenprotesten, mit den vielen Initiativen zur Alltagsunterstützung, mit »DIE LINKE hilft« und der Flüchtlingshilfe gibt es schon viele Ansätze zu einer solidarischen Alltagspolitik der LINKEN. Wir können dabei an den Erfahrungen als Kümmerer-Partei anknüpfen. Unsere Partei ist in den ostdeutschen Bundesländern nicht nur in den Großstädten, sondern in Kleinstädten und im ländlichen Raum da anerkannt, wo sie in sozialen Vereinen, etwa Kleingartenvereinen, der Volkssolidarität, Sportvereinen, Bürgerinitiativen und lokalen Vereinen sowie in Gewerkschaften verankert ist und durch Mandatsträgerinnen und Mandatsträger über vielfältige kommunalpolitische Kompetenz verfügt. Der Kampf unserer dort Aktiven ist für uns daher ein maßgeblicher Anknüpfungspunkt. Eine konsequente soziale Interessenvertretung auf lokaler Ebene, eine solidarische Kommunalpolitik ist möglich – und notwendig. Sie ist die Grundlage für jede soziale Offensive, weil sie unmittelbar an den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger an soziale und demokratische Verbesserungen anknüpfen kann und weil lokale Erfolge »Mut zu mehr« machen.
Wir wollen gemeinsam Schritte zu einer neuen Kultur der Selbstermächtigung und Beteiligung durch Organisierung an der Basis gehen. Dazu wollen wir bestehende Ansätze wie die Kampagne »Das muss drin sein.«, die Arbeit in Stadtteilen und Betrieben und von »DIE LINKE hilft« weiterentwickeln und dabei von positiven Erfahrungen lernen. Lasst uns gemeinsam unsere Parteistrukturen auf eine Willkommenskultur für Aktive einstellen!
Unser Ziel ist es, schrittweise zu einer kampagnenfähigen und aktiven Mitgliederpartei zu wachsen. Also nicht nur Menschen eine Stimme zu geben, sondern sie zu ermutigen, selbst die Stimme zu erheben.
1. Offensive des Zuhörens und Organisierens in sozialen Brennpunkten
In diesem Sinne wollen wir die Aktiven der Partei, die Abgeordneten und den neuen Parteivorstand zu einer »Offensive des Zuhörens« in ihren Wohngebieten und den sozialen Brennpunkten einladen. Dabei sollen die Erfahrungen der Menschen und ihre Hoffnungen im Mittelpunkt stehen. Wir beginnen mit Fragen: Was muss sich ändern, was sind die Wünsche, wer will dafür aktiv werden? Wir legen damit einen Grundstein für eine andere Kommunikation der Partei, die auch im Bundestagswahlkampf fortgesetzt werden soll. Die Menschen haben ja Recht, wenn sie von der formelhaften Sprache der Politikerkaste erschöpft sind.
Die Zuhöroffensive wollen wir verbinden mit Angeboten zur Vernetzung der Betroffenen in benachteiligten Stadtteilen. Wahlauswertungen zeigen: Diese Menschen gehen zwar halb so oft wählen, stimmen aber doppelt so oft für linke Parteien. Bei den letzten Wahlen hat die AfD überdurchschnittlich stark in sozialen Brennpunkten abgeschnitten. Wir nehmen die Herausforderung an. Der Erfahrung von Machtlosigkeit, in der viele Menschen sich nur noch als Spielball »fremder Mächte« erleben, wollen wir die Erfahrung entgegensetzen, dass sich nicht durch Ausgrenzung der Schwächsten, sondern nur durch Solidarität und gemeinsamen Kampf die eigene Lage verbessert. Wir wollen Modellprojekte in benachteiligten Wohnvierteln entwickeln, die (Selbst-)Organisierung vor Ort und die nachhaltige Verankerung der LINKEN fördern. Vielerorts sind bereits Genoss_innen mit Sozialberatungen, Erwerbslosenfrühstücken, Mieter_innen-Initiativen aktiv – daran wollen wir anknüpfen, bestehende Initiativen unterstützen und beim Aufbau neuer voneinander lernen.
2. Stärkere Verankerung an der Basis der Gewerkschaften: Zusammen für die Aufwertung der sozialen Dienstleistungen!
Die stärkere Verankerung der LINKEN in den Gewerkschaften ist eine zentrale Zukunftsfrage für linke Politik in den nächsten Jahren. Angesichts der erschreckenden Wahlergebnisse der AfD bei den Gewerkschaftsmitgliedern wollen wir den Kampf um die Köpfe auch verstärkt an der Gewerkschaftsbasis führen. Als LINKE wenden wir uns an alle Lohnabhängigen, nicht nur an diejenigen, die in prekäre Arbeitsverhältnissen stecken. In den nächsten Jahren wollen wir daran arbeiten, mit einer Initiative für ein »neues Normalarbeitsverhältnis« eine solidarische Perspektive in den Betrieben und Gewerkschaften für ein Bündnis von Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und den Beschäftigten, die in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit arbeiten, zu stärken. Wir wollen die Beschäftigten auch stärker direkt ansprechen und zur Organisierung in der LINKEN einladen. Da wir unsere Kräfte fokussieren müssen, liegt ein Schwerpunkt dabei auf den sozialen Dienstleistungen. Unterfinanzierung und Wettbewerbsorientierung führen hier zu verstärkten Protesten, Streiks und neuen Bündnismöglichkeiten. Wir wollen die Kämpfe um eine Aufwertung der sozialen Dienstleistungen und um mehr Personal in Bildung, Pflege und Gesundheit unterstützen. Es geht dabei auch darum, die gesellschaftliche Basis für unsere Perspektive eines Ausbaus und der demokratischen Gestaltung der Öffentlichen Daseinsfürsorge zu verbreitern.
3. Neue Mitgliederoffensive
In den letzten Jahren ist es uns gelungen, viele neue Mitglieder zu gewinnen. Angesichts der Mitgliederentwicklung in den ostdeutschen Landesverbänden und der in Westdeutschland weiter schwachen Verankerung auf dem Land, muss eine Offensive zur Gewinnung neuer Mitglieder ein wichtiger Schwerpunkt für die gesamte Partei sein. Wir wollen die Mitgliederwerbung auf Bundesebene mit neuen Methoden - auch im Bundestagswahlkampf – und in gezielter Verknüpfung mit aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen weiterentwickeln. Darüber hinaus wollen wir die Landes- und Kreisverbände bei der Gewinnung und aktiven Einbeziehung von Neumitgliedern unterstützen.
4. Ein Bollwerk gegen Rassismus: Die Solidarität organisieren!
Vielerorts werden Geflüchtete, aktive Antifaschist_innen und Mitglieder unserer Partei von rechts bedroht. In dieser Situation lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir stehen zusammen und sind solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt und stehen auf der Seite derjenigen, die sich den Rechten aktiv entgegenstellen.
Der Ausgrenzung von Geflüchteten setzen zahllose Initiativen längst eine praktische Solidarität entgegen. Doch bisher sind sie gegenüber der rechten Hetze nur selten sichtbar. DIE LINKE kann hier dazu beitragen, die gesellschaftliche Stimmung insgesamt nach links zu verschieben, wenn wir helfen, diese unabhängigen Initiativen bundesweit zu vernetzen, Ressourcen zu bündeln und ihre Anliegen politisch zu unterstützen. Dabei knüpfen wir an den Initiativen »Welcome2stay« und »Aufstehen gegen Rassismus« an. Unsere Parole lautet: Solidarity, nicht Charity! Wir knüpfen damit auch an die Erfahrungen von Blockupy und Solidaritätsstrukturen gegen die Troika-Politik in Griechenland an.
Wir wollen gemeinsam mit den Akteuren beraten, wie solch ein Solidaritätsnetzwerk aussehen kann, um nachhaltige und unabhängige Strukturen der Selbsthilfe vor Ort aufzubauen. Verbinden wollen wir diese Initiative mit praktischen Angeboten für all diejenigen, die in den letzten Monaten neu zu uns gekommen sind – und einer Mitgliederoffensive für diejenigen, die angesichts der aktuellen Zuspitzung für Solidarität Partei ergreifen wollen.
5. Außerparlamentarische Mobilisierungen stärken: Für eine soziale Offensive – für alle!
Die außerparlamentarische »Lage« ist derzeit dadurch geprägt, dass sich die vielen wichtigen Initiativen im Kampf gegen rechts, für die Unterstützung von Geflüchteten nicht zu einer gemeinsamen Bewegung verknüpfen – und Antifaschismus von der sozialen Gerechtigkeitsfrage getrennt bleibt. Bisher fehlt ein linker Aufbruch gegen Nationalismus und schwarz-rot-grünen Neoliberalismus – ein gemeinsamer Ausdruck jenseits all der wichtigen Einzelthemen und nötigen Abwehrkämpfe. Ein Ausdruck, der Mut gibt und deutlich macht: Wir, das gesellschaftliche Lager der Solidarität, sind viele! Gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Attac, Migrant_innenverbänden und Antifa-Initiativen wollen wir eine neue Initiative für eine massive Umverteilung voranbringen. In der maximalen Breite und der nötigen Radikalität, mit niedrigschwelligen Angeboten und Mitteln des zivilen Ungehorsams. Lasst uns diesen Vorschlag in die Diskussionen in den Bündnissen gegen rechts, in den Flüchtlingsinitiativen, Gewerkschaften und dem Umfairteilen-Bündnis einbringen!
Wenn wir es schaffen, den Kampf für soziale Gerechtigkeit mit dem Einsatz gegen Rassismus und rechten Kulturkampf zu verbinden und eine gemeinsame Initiative für eine solidarische Gesellschaft zu starten, kann ein neues Momentum für gemeinsame linke Politik entstehen.
Das »nd« bleibt gefährdet
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