»Massiver Gewaltausbruch« - Neonazis marschierten in Plauen
Polizei löste die Demonstration der Antifaschisten ebenso wie die der Rechtsextremisten auf
Den politischen Gegner dadurch marginalisieren, indem man seine Rhetorik und Symbolik einfach aufnimmt und ein bisschen umformt - diese Methode versuchte der »III. Weg« am Sonntag in Plauen. Zum 1. Mai, dem traditionellen ArbeiterInnenkampftag, versammelten sich mehrere Hundert Neonazis und Anhänger der rechtsextremen Partei in der sächsischen Stadt, um für die Rechte von - wohlgemerkt deutschen - Arbeitern zu demonstrieren. »Arbeiter heraus - gegen System und Kapital«, stand auf den - wohlgemerkt roten - Shirts der Rechten. Und: »Kapitalismus bedeutet Krieg.« Als die Rechtsextremen dann durch die Straßen marschierten und von staunenden Einwohnern aus ihren Plattenbaufenstern beobachtet wurden, riefen sie: »Hoch die nationale Solidarität.«
Nahezu ungestört bewegte sich der Demonstrationszug zunächst. Nur an wenigen Ecken gab es Protest in Hör- und Sichtweite der Neonazis. Die Polizei schirmte jegliche Gegenveranstaltungen - wovon es genügend gab - erfolgreich ab. Immerhin: Direkt am Bahnhof, wo die Rechten ihren Marsch starteten, organisierte die Linkspartei-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel eine Spontandemonstration, der allerdings nur wenige folgten.
Insbesondere die über tausend Antifaschisten, die aus verschiedenen Gegenden nach Plauen gereist waren, hatten eher mit der Polizei als mit den Rechten zu kämpfen. Nachdem sie einige Zeit durch die Innenstadt gelaufen waren, wurden sie von den Beamten eingekesselt. Zuvor hatten sie unter dem Motto »Time To Act: Neonaziaufmarsch verhindern!« nicht nur gegen die Nazis, sondern auch gegen die »Plauener Verhältnisse« protestiert: Seit September demonstriert dort ein Teil der Bevölkerung immer wieder unter der Parole »Wir sind Deutschland«, angeführt vom FDP-Bürgermeister, der den rechten Rand der Republik hofiert: Verschwörungstheoretiker wie Jürgen Elsässer und KenFM, sogar offen agierende Neonazis durften von der öffentlichen Bühne herunterhetzen, ist auf der Demo-Facebookseite zu lesen.
Auch die traditionelle Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die in Zusammenarbeit mit den Kirchen und dem Verein »Vivere - Leben für Vielfalt und Courage« organisiert wurde, richtete sich in erster Linie gegen die Neonazis. »Ich bin nicht wegen des 1. Mai hier. Sondern, um Gesicht gegen Rechts zu zeigen«, sagte Landrat Rolf Keil (CDU) und rief den Rechten zu: »Geht nach Hause, wir wollen euch nicht.« Allerdings wehrte sich Keil »gegen jedweden Extremismus«, was als Spitze gegen die Antifa zu verstehen war. Deutlicher äußerte sich Stefan Kademann von der IG Metall. »Das ist unser Feiertag«, rief er ins Mikrofon und fügte an: »Der 1. Mai wird immer wieder missbraucht. Nazis haben hier in Deutschland nichts zu suchen.« Kademann kritisierte zugleich die kapitalistische Realität: »Solidarität zu zeigen heißt nicht, solidarisch mit den Banken zu sein. Sondern mit den Schwächeren der Gesellschaft.« Später beteiligten sich 200 bis 300 Menschen an der Demonstration »Runder Tisch für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit«. Eine »Straße der Musik - 1000 Meter gegen Nazis« setzte mit Musikern aus der Region ein Zeichen. Ebenso mobilisierte das Aktionsbündnis »Vogtland gegen Rechts« zu den Protesten.
Am Nachmittag kam es zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremisten, Gegendemonstranten und der Polizei. Neonazis warfen Rauchbomben und griffen Beamte mit Pfefferspray an. Die sprach von einem »massiven Gewaltausbruch« und antworteten mit dem Einsatz von Wasserwerfern. »Hätte nicht gedacht, dass ich das in meinem Leben mal sehen würde«, twitterte ein Antifaschist.
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