Russisches Militär öffnet seinen Stützpunkt Latakia
Gemeinsames Paradieren mit syrischen Soldaten / Mehr als 90 Waffenstillstände vor Ort ausgehandelt
Den Tag des Sieges feiert die russische Armee auch fern der Heimat in Syrien. Wenige Tage vor dem Weltkriegsgedenken am 9. Mai stehen russische Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Hamaimim in Reih und Glied. Sie üben das Paradieren vor ihrem Kommandeur und das hallende dreifache »Hurra!«. Mit den Russen in ihren rötlichen Wüstenuniformen marschiert eine Abordnung der syrischen Armee, um die Waffenbrüderschaft zu unterstreichen.
Die Luftwaffenbasis nahe der Provinzhauptstadt Latakia am Mittelmeer ist Dreh- und Angelpunkt für Russlands militärisches Eingreifen in dem nahöstlichen Bürgerkriegsland. Seit September 2015 kämpft Moskau an der Seite des bedrängten syrischen Machthabers Baschar al-Assad und hat das Kräfteverhältnis wieder zu dessen Gunsten verschoben.
Auch während ein Teil der Garnison für die Weltkriegsparade übt, starten russische Kampfjets zu Angriffen auf Ziele in Syrien. Vieles auf dem Stützpunkt Hamaimim wirkt provisorisch. Trotzdem ist spürbar, dass Moskau sich auf eine längere Präsenz einstellt. Es wird gebaut.
Generalmajor Igor Konoschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, führt den Stützpunkt stolz der internationalen Presse vor. Es wird in Hamaimim viel gezeigt, aber nicht alles. Die Soldaten bleiben wortkarg. Wer in die Gassen zwischen den Wohncontainern abzubiegen versucht, den stoppt ein Militärpolizist.
In jedem Container stehen vier Betten und ein kleiner Spind. Licht kommt durch ein kleines Fenster. Offen vorgeführt wird die militärische Schlagkraft der russischen Luftwaffe in Syrien. Trotz eines Teilabzugs im Februar sind immer noch viele Flugzeuge in Hamaimim stationiert. Beim Start lassen die bulligen Bomber Suchoi Su-24 - NATO-Code: Fencer - die Trommelfelle der Zuschauer fast platzen. Auch das Erdkampfflugzeug Su-25 und die neuen Jagdflugzeuge Su-34 und Su-35 sind im Einsatz.
Bevor die Jets abheben, spähen Kampfhubschrauber nach möglichen Angreifern im Umfeld. Eine hochmoderne russische Flugabwehr S-400 sichert die Basis nicht gegen die syrischen Rebellen, die eh keine Flugzeuge haben, sondern gegen die USA und ihre Verbündeten.
Die umstrittenen russischen Luftangriffe gehen trotz der Waffenruhe weiter, denn diese gilt nicht für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida. Brisant ist militärische Lage dieser Tage in der nordsyrischen Großstadt Aleppo. Dort gilt jetzt eine neue Feuerpause. Doch Konaschenkow ist skeptisch, ob sich die Al-Nusra-Front daran halten wird. In seiner Sicht auf den Krieg bleibt er der russischen Linie treu: »Es hängt alles davon ab, dass niemand mehr die internationalen Terroristen unterstützt.«
Der Stolz des Generals in Hamaimim ist das Zentrum für Versöhnung, untergebracht ebenfalls in einem Container. Von dort aus überwachen russische Offiziere die Einhaltung der Waffenruhe. Sie sind in ständigem Kontakt mit einem ähnlichen Zentrum der US-Streitkräfte in der jordanischen Hauptstadt Ammann.
Doch die Russen versuchen sich auch im Mikromanagement des Waffenstillstands. »Wir arbeiten mit den Bürgern auf verschiedenen Kanälen«, erläutert der Kommandeur des Zentrums, Generalleutnant Sergej Kuralenko. »Im Zentrum gehen tägliche Dutzende Anfragen syrischer Bürger ein.«
Die Russen nehmen die Absichtserklärungen von Rebellengruppen entgegen, die Waffen niederzulegen. Oder ihre mobilen Teams handeln Waffenstillstände für einzelne Orte aus. Mehr als 90 gibt es nach Konaschenkows Angaben bereits. In vielen Fällen bedeutet ein Waffenstillstand, dass die Dörfer unter die Kontrolle der Regierung zurückkehren. Auch damit stärkt Russland Präsident Assad weiter, dessen Führung bei den Friedensgesprächen in Genf nicht zu Zugeständnissen bereit ist. dpa
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